Brautflug
glauben, sie flog nach Paris durch einen unvergleichlichen Sonnenuntergang, und ihnen wurde ein Viergangmenü serviert, mit Dessert aus Erdbeeren, die ein niederländischer Obstbauer für die Gäste des Flugrennens zur Verfügung gestellt hatte, und danach gab es noch Kaffee mit Ingwerplätzchen, wie bei reichen Leuten. Von jetzt an würde alles anders werden. Jeder Meter, den das Flugzeug zurücklegte, brachte sie der besseren Zukunft näher. Über dem Teller Suppe schloss sie die Augen und faltete dankbar die Hände. Neben ihr hatte Frank bereits angefangen zu essen. Er legte seinen Löffel zurück, murmelte eine Entschuldigung und wartete. So sehr sie sich auch bemühte, ihr gelang es einfach nicht, ihre Gedanken auf Gott zu lenken, solange dieser Unbekannte so nah neben ihr saß, dass sie ihre Oberschenkel schräg an die Fensterseite lehnen musste, damit sie seine nicht berührten. Sie hielt die Augen eine Weile geschlossen und öffnete sie dann wieder. Er guckte interessiert zu.
»War jemand zu Hause?«
Sie saß neben einem Gottlosen.
Drei Stunden dauerte die erste Strecke, drei Stunden, in denen Ada sich mit dem unaufhörlichen Schaukeln und Zittern des Flugzeuges versöhnte. Kurz vor Rom tauchte das Flugzeug jedoch jäh nach unten, unter Stoßen und Rütteln ging es schräg durch eine instabile Luftschicht hindurch, und die Angst kehrte mit voller Macht zurück. Nichts passiert, sagte die Stewardess, gewöhnliche Turbulenzen, bei dem Wort Turbulenzen schürzte sie die Lippen auf typisch französische Weise. Ein Stapel Tabletts ging klirrend zu Boden, Marjorie stieß einen fröhlichen Schrei aus. Frank lenkte Ada mit Witzen ab, aber zu dem Zeitpunkt, als sie die einzelnen Lichter der Landebahn unterscheiden konnte, war sie in Tränen aufgelöst. Als sich dann nach der Landung die Tür öffnete und die kalte Abendluft hereindrang, wollte sie nichts lieber als aussteigen und zurück nach Hause laufen. Sie durften noch nicht hinaus, das wusste sie, dieser Zwischenstopp war nur zum Tanken vorgesehen. Draußen standen schon die Tankwagen bereit, und das Flughafenpersonal stürmte mit Schläuchen zum Flugzeug.
»Elftausend Liter frisches Benzin«, sagte Frank. Das klang aus seinem Mund, als hätte er selbst gern ein Schlückchen davon genommen. Der Flugkapitän eilte nach draußen, um zu verhindern, dass Leitern die Flügel beschädigen könnten, denn die schreienden, fluchenden Italiener gingen mit großem Eifer an die Arbeit. Ehe man sich versah, wurden die Blöcke vor den Rädern entfernt, und einen Moment später schon klammerte Ada sich wieder an der Sitzlehne fest, und Rom verschwand unter ihnen.
»Vierzehn Minuten«, bemerkte Frank, der das Wettrennen genau verfolgte.
Alle waren begeistert, es waren vierzig Minuten für den Stopp eingerechnet worden, jetzt hatten sie schon fünfunddreißig Minuten Vorsprung. Ada blieb keine Zeit zur Freude, Ada kämpfte mit den Turbulenzen.
Dann wurde es Nacht. Sie hätte gern geschlafen, das Flugzeug nahm schwerfällig und ruhig Kurs auf Bagdad, aber sie konnte nicht. Niemand konnte schlafen, dafür war die Aufregung zu groß. Die Kabine wurde allmählich zu einem gemütlichen Wohnzimmer, in dem man Spiele macht, während es draußen dunkel ist. Überall saßen Leute, die lasen oder sich leise unterhielten. Esther spielte hinten mit den Journalisten um eine Flasche Whiskey Karten. Marjorie lernte laut Englischvokabeln.
Frank las ein Buch über den spanischen Bürgerkrieg und notierte Flugdaten in einem Heft. Er erzählte Ada von Java, mit seiner angenehmen, tiefen Stimme. Wie er dort als kleiner Junge die Uiver hatte vorüberfliegen sehen und gehofft hatte, dass er irgendwann einmal selbst in solch einem Wettkampfflugzeug sitzen würde. Von ihrem großen, tropischen Garten, hinter dem direkt der Dschungel begann, in dem Tiere lebten, die geheimnisvolle Laute von sich gaben. Von den meterhohen Büschen mit Blumen, deren Geruch nahezu betäubend war. Ada stellte Fragen und sah in ihrer Phantasie alles lebendig vor Augen. Sie hatte, um sich irgendwie zu beschäftigen, die blaue KLM -Wolle und die Nadeln hervorgeholt und fing an, Maschen aufzunehmen. Allerdings konnte sie sich nicht entscheiden, was sie stricken sollte und für wen. Daher nahm sie immer weiter Maschen auf, so viele, bis sie fast nicht mehr auf die Nadeln passten.
Er sah es und verstummte.
»Strickmaschen aufnehmen«, erklärte sie und musste über seinen verwirrten Blick lachen, »so nennt man
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