Brautflug
waren und dass ihr Unterkleid sichtbar war, möglicherweise sogar ihr Büstenhalter. Ein Bein hatte sich während des Schlafes freigewühlt, sie spürte die Luft an der Haut über dem Bund ihrer Nylonstrümpfe. Innerlich brachte sie dies in Windeseile wieder in Ordnung, bedeckte sich und drehte sich um, doch in Wirklichkeit bewegte ihr Körper sich keinen Millimeter. Der schmale Weg wurde breiter, und sie verspürte vollkommene Ohnmacht, etwas daran zu ändern. Sie schloss die Augen und schlief weiter.
Mitten in der Nacht gingen die Lichter an, und sie bekamen kalten Orangensaft und starken Kaffee, um sich auf die Landung in Bagdad vorzubereiten. »Wo sind wir?«, murmelte Ada mit schwerer Zunge. Sie hätten soeben die libanesische Küste bei Beirut passiert, antwortete Frank, und Ada fragte sich, ob er sie die ganze Zeit angesehen hatte.
»Guten Morgen, meine Damen und Herren …«
Der Steward meldete, dass die Hastings der Neuseeländer sich im schlechten Wetter verirrt hatte und sich inzwischen vierzig Minuten hinter dem Fliegenden Holländer befand, eine Nachricht, die von den zerknitterten Schlafgesichtern mit Gejauchze aufgenommen wurde. Von der englischen Viscount hatte man vernommen, dass sie am Persischen Golf ihre erste Landung machen würde. Sie war in einem Stück von London nach Bahrain geflogen, statt mit Passagieren war sie bis unters Dach mit Reservetanks beladen. Sie sehen, die KLM hat überall ihre Spione. Vom Heck aus taumelte Esther auf ihren Platz zurück, gähnend ordnete sie ihre Locken.
Frank lenkte Ada während der Landung weiter mit seinen Geschichten ab. In der Nacht hatte er viel Zeit im Cockpit verbracht, und er erzählte ihr nun, dass auf dem Flughafen Bagdad laut Anweisungen vier Säcke Ballast von jeweils fünfundzwanzig Kilogramm bereitständen. Zudem wartete dort ein Haupttankwagen und ein Reservetankwagen, es gab Hydrauliköl einer bestimmten Marke und alle erdenklichen Testgeräte, drei Leitern, Bremsklötze und Feuerlöscher (sie sollte sich bloß keine Sorgen machen, das war alles nur Vorsorge, es passierte nie etwas. Die Dinge hatte man lediglich dort, um die Gründlichkeit zu demonstrieren, mit der die KLM dies alles durchführte), einen Schubwagen und einen Toilettenwagen und vieles mehr. Alles war schriftlich festgehalten, zwölf Flaschen Bier, vierundzwanzig Flaschen Saft, fünf Warmwassercontainer, drei große Kaltwassertanks. »Es gehen vier Paletten schmutzige Sherrygläser von Bord und vier saubere kommen zurück. Sechsundsiebzig Teller, sechsundsiebzig Tassen, sechsundsiebzig Schüsseln, soll ich weitermachen?«
Ja, er sollte weitermachen. Sie hörte nicht zu, doch der Spaß in seiner Stimme nahm etwas von ihrer Angst, und die Berührung seiner Hand auf ihrer war freundlich. Daran konnte man keinen Anstoß nehmen, falls irgendwer das durch Zufall sehen sollte.
Monate vorher waren auf allen Landeplätzen und auf den möglichen Ausweichposten umfangreiche Broschüren eingetroffen, in denen alle Anweisungen einzeln aufgelistet waren, und es lagen Arbeitsvorlagen vom Flugzeug dabei, mit Erklärungen aller Tanks und Klappen. Zudem gab es einen kompletten technischen Anhang, es war wie ein vollständig ausgearbeiteter Kriegsplan. Auf jedem Flugplatz waren die Vorgänge hundert Mal geübt worden. Wenn sie auf dem Weg zum nächsten Stopp waren, dann standen dort schon wieder Hunderte von Menschen mit randvollen Tanks bereit. Wie ein kleiner Junge, dachte Ada. Unter sich sah sie, im ersten Streifen roten Sonnenlichts, biblische Palmbäume in einer durch und durch trockenen Gegend.
Trotz mehrmaligen Übens schien in Bagdad ein ähnliches Chaos zu herrschen wie in Rom. Die Passagiere mussten sitzen bleiben. Ein paar Mädchen scharten sich an der Tür zusammen, um einen Blick von dem Land zu erhaschen, in dem sie noch nie gewesen waren und wo sie auch nie hinkommen würden. Sie winkten zu den Mitgliedern der niederländischen Kolonie hinüber, die mit Flaggen hinter der Absperrung standen, und zu einem kleinen Jungen, der sich zur Feier des Tages in Volendamer Tracht gekleidet hatte.
Esther brummte, dass sie nach draußen wollte, und Marjorie wies sie zurecht: Es würde zu viel wertvolle Wettkampfzeit kosten, wenn solch eine große Gruppe ein- und ausstiege, das müsste sie doch wohl verstehen. Sie hatten schließlich diesen Wettkampf gewollt, dies waren nun die Konsequenzen. Ada studierte den dunklen Bordmechaniker, der direkt vor ihrem Fenster auf dem Flügel
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