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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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Zimmermann, dabei hat er eigentlich studiert!«
    Ada versuchte, sich die Hände von Derk ins Gedächtnis zu rufen. Sie hatte sie auf ihrem Körper gespürt, die verzweifelten Hände eines Ertrinkenden.
    »Er musste unterschreiben, dass er zwei Jahre lang als Gelegenheitsarbeiter einspringt, wo er gerade gebraucht wird, sonst hätte er keinen Zuschuss bekommen.«
    Frank reichte ihr das Foto weiter. Es zeigte einen Jüngling in Knickerbockern auf einer Düne, der sinnend in die Ferne sah. »Bei mir ist es genauso. Ich habe auch einen Vertrag.
Plan-Auswanderer
, haben sie das genannt. Ich muss auch erst einmal abwarten. Ich bin ein Standard-Emigrant.« Esther beugte sich zu ihm herüber und sagte mit heiserer Stimme, dass er gar nicht danach aussähe. Sie nahm das Foto von Ada, würdigte es aber keines Blickes.
    »Ich will nicht einfach irgendeinen Job machen«, sagte Marjorie. »Ich bin diplomierte Krankenschwester, das ist schließlich schon was.« Sie schnaubte entrüstet. »To be honest, ich will überhaupt nicht arbeiten, ich will heiraten … und sobald wir ein Haus haben, bekommen wir Kinder.«
    »Sind die schon bestellt?«, fragte Esther.
    »Mir ist das egal«, sagte Frank, »to be honest. Ich habe Zeit. Ich weiß, was ich will.«
    Marjorie zog das Foto mit einem Ruck aus Esthers Hand. »Weißt du, dass sie dort keine Kinderwagen haben? Sie tragen ihre Babys auf dem Rücken!«
    Esther beugte sich noch weiter zu Frank herüber, Ada roch ihr Parfüm, ließ sich aber nicht weiter ablenken, denn sie hatte sich gerade überlegt, dass das Lächeln der Stewardess auch eine Grimasse der Angst sein konnte.
    »Und was willst du machen?«
    »Ein eigenes Gut«, sagte Frank.
    Nun hätte sie erzählen können, dass sie aus einer Bauernhofgemeinschaft stammte, aber was wäre, wenn aus ihrer Kehle nichts als ein seltsames Geräusch käme und sie auf einmal alle angucken würden. Dann müsste sie fünfzig Stunden weiterfliegen, in denen sie sich nicht einmal mehr auf die Toilette wagte. Deshalb starrte sie auf die Stewardess, die Päckchen verteilte, und tat so, als ginge sie das Gespräch überhaupt nichts an.
    »Kommst du aus einer Bauernfamilie?«
    Er schüttelte den Kopf. »Mein Vater war Arzt in Indonesien. Aber ich will Bauer werden.«
    Sie hatte viel Zeit auf dem Bauernhof verbracht, auf dem ihr Vater Knecht war, fasziniert von dem breiten Lederband, das der Bauer trug, wenn er auf dem Traktor fuhr, und vom Geruch des riesengroßen Schweins, das in einer separaten Scheune lag und nicht mehr aufstehen konnte.
    »Du hast also nicht studiert?«, fragte Marjorie.
    »Darf ich Ihnen dies mit den besten Empfehlungen der KLM überreichen?« Das Päckchen für die Frauen war sehr viel größer als das für die Männer. Ada steckte einen Finger hinein und fühlte ein Wollknäuel.
    »Koloniale Landbauschule in Deventer«, sagte Frank. »Ich wollte in Indonesien …« Er schwieg, riss das Papier auf, drinnen war eine KLM -Krawatte und ein blaues Zigarettenetui. »… aber gut, das ist jetzt nicht mehr möglich. Und Holland, das ist mir zu kalt. Daher dachte ich: Auswandern, dann ist alles möglich.«
    »Guter Plan, Standard-Emigrant«, sagte Esther. Sie zeigte nicht das geringste Interesse für das Päckchen auf ihrem Schoß.
    Frank inspizierte kurz sein Zigarettenetui. »Ich habe Zeit.« Dann wandte er sich unerwartet an diejenige, die noch nichts gesagt hatte. »Und du?«
    »Ich schon«, sagte Ada. »Aus einer Bauernfamilie, meine ich«, sagte sie. Ihre Wangen wurden heiß und rot, sie fummelte an der Wolle herum, merkte aber dennoch, wie er sie ansah.
    Marjorie hielt eine Brosche hoch. »Habt ihr die gesehen? Guckt mal, wie reizend. Wenn mich nicht alles täuscht, ist die echt Silber.« Drei kleine Anhänger schaukelten vor ihren Augen, ein Holzschuh, ein Segelboot und eine Windmühle.
     
    Die Wolkenschicht unter der Liftmaster wurde langsam dünner und verschwand schließlich vollständig. Dröhnend flogen sie durch einen dunkelroten Abendhimmel. Langsam fühlte sie sich etwas wohler. Die Stewardess, die die Mahlzeiten verteilte, machte vor Frank eine schwungvolle Geste zum Fenster, in Richtung der Lichtbänder, die sie unten sahen. »Links liegt … rechts ist … und dahinter:
Voilà Paris
.« Sie war ursprünglich Französin, erzählte sie, und übertrieb den koketten Akzent.
    Vier Gänge bekamen sie, erst Suppe – Consommé, las Ada auf der Menükarte –, dann Schweinekotelett mit Champignons … Sie konnte es nicht

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