Brautflug
schwiegen sie auf eine angenehme Art, und ihr Herz wurde überflutet von dem Gefühl von Freundschaft.
Nun sah sie ihn, wie er zu einer Grünanlage neben dem Gebäude hinüberlief und sich über die tropischen Blumen beugte, die wie weiße Lampions an den Büschen hingen. Sie beobachtete, wie Esther sich von ihrer Gesellschaft löste und mit wiegenden Hüften auf ihn zuging. Wie er sich aufrichtete, als er das Klicken ihrer Absätze vernahm. Wie er lächelte. Ruckartig wandte sie sich von dieser Szene ab, denn es ging sie nichts an, rein gar nichts.
»Seltsam, nicht?«, flüsterte Marjorie ihr ins Ohr. »Sie ist verlobt, genau wie wir. In Christchurch ist jemand, der auf sie wartet. Ob der Ärmste wohl weiß, was er sich da ins Haus holt?«
Ada starrte sie mit offenem Mund an, zu erschrocken, um zu reagieren. Unter keinen Umständen durfte sie noch einmal die Hand dieses jungen Mannes halten, auch wenn das Flugzeug noch so wüten sollte. Der Herr wird mich bewahren. Sie hatte Glück gehabt, niemand hatte es gesehen, aber wehe, wenn doch. Ihr neues Leben würde für immer besudelt sein, noch bevor es überhaupt richtig begonnen hätte. Was fehlte ihr denn eigentlich? Es war mit ihr durchgegangen, die Angst vorm Fliegen, das Unbekannte, sie allein auf Reisen, all diese Dinge, sie würde ins Gerede kommen, genau wie Esther. Sie spazierte weiter neben Marjorie über die Plattform, hielt einmal ein verlegenes Schwätzchen mit einem Niederländer, der hier arbeitete, und schaute nicht mehr zu dem Garten an der Seite hinüber.
Der schweißtriefende KLM -Manager durfte nach zwanzig Minuten ihre Namen aufrufen, was ihn ganz offensichtlich mit Stolz erfüllte. Drinnen waren die Aschenbecher geleert worden, und die Kabine war wieder sauber. Marjorie ließ sich neben ihr nieder, sie langweile sich zu Tode, nörgelte sie, diese Esther gebe keinen Mucks von sich und verbringe mehr Zeit bei den Journalisten als auf ihrem eigenen Platz.
Ada protestierte nicht.
»Nur für diese Strecke«, sagte Marjorie zu Frank.
Er sah Ada prüfend an und setzte sich wortlos hinter sie. Esther rutschte neben ihn. »Pass auf«, flüsterte Marjorie, »die Presse hat erst mal nichts mehr zu melden.«
Die Entfernung bis Jakarta wurde auf sechseinhalb Stunden Flugzeit geschätzt. Jakarta, das ist Java, dachte Ada, und sie spähte unauffällig nach hinten, doch Frank schnallte sich ganz normal an, von seinem Gesicht war nichts abzulesen. Es wurden Turbulenzen erwartet, ein Wort, das bei ihr dumpfe Angst hervorrief. Niemand schien sich Sorgen zu machen, deshalb hielt Ada den Mund. Beim Steigflug versuchte sie sich vorzustellen, dass Derk ihre Hand hielt. Es gelang ihr nicht. Ich weiß nicht, wer er ist.
»Hach, ist das jetzt gemütlich«, seufzte Marjorie und schlief ein.
Es war mitten in der Nacht und eine Affenhitze an Bord. Die meisten der Auserwählten fielen nach dem Aufsteigen sofort in ihre Kissen, ohne einen Blick auf den exotischen Sternenhimmel zu werfen. Die Müdigkeit griff um sich, und das Fliegen hatte seinen Reiz verloren. Im Grunde genommen war es schrecklich langweilig.
Ob es die Hitze war, der Halbschlaf oder das ständige Zittern der Maschine: In ihren Lenden entstand das träge Gefühl, das sie schon als Kind erwecken konnte, indem sie auf bestimme Art schaukelte. Ein Gefühl, das sie in den letzten Jahren immer öfter von selbst überkam, manchmal sogar im Sommer in der Kirche, wenn dort schön und schleppend gesungen wurde und zugleich das Sonnenlicht durch die Fenster schien und sie wärmte. Dazu gehörten Fetzen aus einer Geschichte, lose Bilder, der Held hob sie hoch, »seine starken Arme hoben sie hoch und trugen sie zu dem Heuhaufen«. Das hatte sie in einem Bibliotheksbuch gelesen, das ihr nie unter die Augen hätte kommen dürfen. Es gab genug Heuhaufen im Dorf, aber die sahen nicht aus wie dieser. Der Held hob sie hoch, alles in ihr war weich, und sie wand sich vor Verlangen. Sie hatte kaum etwas an. Das Hochheben, das Tragen und das Hinlegen auf den Heuhaufen wiederholte sich endlos, und es war aufgeladen mit der Erwartung, was danach passieren würde. Davon stand ihr kein klares Bild vor Augen. In der Dorfbäckerei hatte sie einmal gesehen, wie der Bäcker den Teig für sein Königinnengebäck knetete, mit breiten Händen und winzigen Bewegungen, sanft und unermüdlich, so andächtig, dass der Teig unter seinen Fingern allen Widerstand aufgab und sich in jede gewünschte Richtung formen ließ.
Der Vorfall
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