Brautflug
dicken Nebel hindurch. Auf einmal stand Frank auf dem Gang. Er dirigierte Marjorie ohne Umschweife einen Sitz weiter nach hinten und nahm neben Ada Platz. Er sah auf ihre Hände, deren Knöchel ganz weiß waren. Trotz der gespannten Stimmung schien es ihn zu amüsieren.
»Immer gut festhalten!«
Sie lächelte entschuldigend. Das Flugzeug fiel noch ein paar Meter weiter nach unten, irgendwoher erklang ein Schrei.
»Na, was habe ich gerade gesagt?«
Mit ihm erscheint alles leichter, dachte sie. Es war ihr ein Rätsel, wie er das machte. Als würde er das Leben weniger ernst nehmen. Und doch kam er ihr nicht vor wie einer, den ihr Vater als einen Schwerenöter bezeichnet hätte. Frank fuhr fort: »Wenn man es allerdings anders betrachtet: Irgendwie müssen wir natürlich herunterkommen.« Sie nahm sich vor, auch so zu werden, und zwang sich dazu, ihre Hände entspannt in den Schoß zu legen. Es gelang ihr sogar, sie dort zu lassen, trotz des jähen Sturzfluges des Flugzeugs und dem hohlen Gefühl im Magen.
Dann fielen sie durch die letzten Wolken hindurch in einen grauen Morgen, an dem die Sonne sich nicht zeigte. »Sieh nur«, sagte Frank und beugte sich mit ihr gemeinsam zum Fenster hinüber. Jemand rief: »Neuseeland!« Ein Ruf, der von mehreren Stimmen wiederholt wurde. Es wurde geklatscht, gejubelt und gesungen. Hinter ihnen setzte Marjories hohe Mädchenstimme mit »Hup, Holland, hup …« ein. Jeder versuchte, so viel wie irgend möglich von dem Land zu sehen, mit dem alles angefangen hatte.
Sie seufzte auf. In einem unendlichen Tal, umringt von hohen Bergen, webte ein Fluss einen Teppich von bizarren Mustern. »Die Südalpen«, sagte Frank. »Prächtig, nicht?« Sie sah schneebedeckte Berggipfel, ein Bild, dass sie nur von Fotos kannte, und etwas von der allgemeinen Aufregung übermannte auch sie. Auf jeden Fall würde es ein neues, aufregendes Leben werden. Sein Gesicht war so dicht vor dem ihren, dass sie sich beherrschen musste, ihn nicht zu küssen. Ein freies Leben mit unbekannten Möglichkeiten.
»Siehst du das?«, fragte er, »das ist es. Jetzt sind wir hierhergeflogen. Du hattest einen Plan. Ich auch. Aber wo ist jetzt das flache Land für meinen Bauernhof?« In einem unbeachteten Moment ergriff er ihre Hand und wurde ernst. »Hier geht unser Leben weiter.«
»Ja«, flüsterte sie, und als sie sich sicher war, dass niemand sie beachtete, küsste sie ihn doch ganz schnell neben seinen Mund und betrachtete weiter – ganz dicht neben ihm –, wie die Landschaft sich langsam veränderte, wie die Berge in Hügel übergingen, wie die Hügel abflachten und in große, in Parzellen eingeteilte Stücke Steppe mündeten, in der sie kleine weiße Punkte sahen – das mussten Schafe sein. »Da hast du dein flaches Land«, sagte sie. »Die Canterbury Plains«, erklärte er, »ich glaube nicht, dass sie ein Stück für mich übrig gelassen haben.«
In der Kabine wurde es eigenartig still. Für all dies nun hatten sie allem Lebwohl gesagt und sich fünfzig Stunden lang einschließen lassen. Nur um in dieses Land zu fliegen, wo es Arbeit im Überfluss gab, keine Armut herrschte und die Versorgung gut war – die niedrigste Säuglingssterblichkeit der Welt. »Hier wird bald dein Kind zur Welt kommen«, sagte er, und erschrocken legte sie die Finger auf den Mund, still.
Meter für Meter sank das Flugzeug über ihrem neuen Land. Sie sah Obstgärten unter sich vorbeischießen, Schafe, überall Schafe auf riesengroßen Savanneweiden, umsäumt von Bäumen. Es gab eine Eisenbahnlinie, die direkt aus den Bergen kam und ihnen scheinbar folgte. Sie wirkte verloren in dieser Weite, nur ab und zu stand da eine Scheune, ein Bauernhof, ein vereinzeltes Grüppchen von Holzhäusern, manchmal eine Kirche. Ein Weg, der sich zwischen sanft leuchtenden Hügeln entlangschlängelte und auf dem zu dieser frühen Uhrzeit scheinbar kein Verkehr herrschte. Sie näherten sich der Erde immer weiter, bis sie kurz über eine kahle, breite Fläche flogen, auf der auf einer Landebahn die Viscount und die Canberras nebeneinanderstanden, genau wie in London, allerdings ohne die Hastings. Wir sind da, dachte sie mit einem tiefen Gefühl von Bedauern und schmiegte sich noch enger an ihn.
An der Seite des Geländes parkten riesige Mengen von Autos. Scharen von Menschen warteten hier in Harewood auf ihre Ankunft.
»Ada«, sagte er. Der Ton seiner Stimme legte alles offen.
»Was ist?«
»Wenn du springst, fang ich dich auf.«
Und wieder
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