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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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besichtigt werden würde. Sie, als Niederländer, hatten einen Ruf von Sauberkeit und Ordnung zu bewahren. Reihe für Reihe mussten sie alle Überbleibsel der Reise auf und unter den Sitzen, in den Rückenlehnen und in den Gepäckablagen beseitigen. Das Kabinenpersonal ging mit Abfalleimern herum. Ada erledigte ihre Aufgabe gewissenhaft, zupfte jedes Krümelchen, jedes Stückchen Papier und jeden Wollfaden mit großer Sorgfalt unter ihrem Sitz hervor, so gebückt wie möglich, um Franks Blick zu meiden.
    Das dauerte etwa eine Stunde, dann waren die Aschenbecher leer, und der blaue Teppich im Gang war von herumfliegendem Unrat gesäubert. Danach bekamen sie Zeit, sich frisch zu machen. Die Männer konnten sich rasieren. Die Passagiere durften, einer nach dem anderen, den kleinen Waschraum benutzen. So kurz wie möglich, aus Rücksicht auf die Mitreisenden. Vor ihrer Abreise hatte man die Mädchen gebeten, eine weiße Bluse und einen schwarzen Rock einzupacken, sodass sie bei der Ankunft den Anblick einer ordentlichen, adretten Gruppe abgeben würden. Für die Herren gab es natürlich die KLM -Krawatte. Ihre Jacken und ihr Gepäck sollten sie nachher im Flugzeug lassen. Es würde alles für sie zum Zoll gebracht werden.
    »Sie machen dann einen etwas frischeren Eindruck«, erklärte der Steward.
    Alles andere als frisch stand Ada in der Reihe zwischen den schnatternden Bräuten. Um sie herum wurden die Mädchen ständig nervöser wegen des nahenden Wiedersehens mit ihren Verlobten. »Wenn er nicht da ist«, sagte Marjorie, »dann bin ich verloren.« Ada trat von einem Fuß auf den anderen, um das Brennen etwas zu lindern, und fragte sich, was sie tun würde, wenn Derk nicht da wäre. Es konnte ja alles Mögliche passiert sein.
    Er konnte sogar gestorben sein.
    Esther nahm sich Zeit, ohne jegliche Rücksichtnahme auf ihre Mitreisenden. Erst als lautstark gemeckert wurde, wand sie sich aus der »Lady’s Lounge«, in einer eigenen Kreation, tatatataaa. Wie ist das nur möglich, dachte Ada, die selbst mit einer alten Bluse ihrer Tante und einem Beerdigungsrock ihrer Mutter losgeschickt worden war. Wie ist das nur möglich, sie hält sich an die Vorgabe, und weicht doch komplett davon ab. Esther trug ein eng anliegendes, schwarzes Kleid, das bis halb über die Waden ging. Über den Schultern hatte es einen großen weiten Kragen aus plissiertem Stoff, eigentlich eine Art Stola. Das Kleid bewegte sich wogend mit ihr mit. Die ganze Reihe klatschte in die Hände, aber Ada sah, dass einige Mädchen es etwas übertrieben fanden. Sie sind neidisch, dachte sie und sah fasziniert auf die perfekt nachgezeichneten Augenbrauen und den gemalten Mund. »Lippenrot färbt ab«, flüsterte Marjorie ihr ins Ohr. »Wie will sie das nachher wohl machen? Der arme Kerl, der ihr einen Kuss geben will …« Ada hörte nicht zu, sie schaute Esther hinterher und sah, wie gelassen sie trotz all der Andacht blieb, während sie mit wiegenden Hüften auf ihren hohen Absätzen zu ihrem Platz zurückspazierte. So ein Mädchen fürchtet sich vor nichts.
    Frank sagte etwas Nettes zu Esther – ein Kompliment oder etwas Lustiges –, woraufhin das tiefe, heisere Lachen erklang. Jetzt durchfuhr Ada selbst ein Stich der Eifersucht. Dann schubste Marjorie sie in den Toilettenraum hinein. Die Seife, Kamm und Zahnbürste zitterten immer wieder von dem Waschbecken herunter, doch, so gut es ging, machte sie sich für das Treffen mit ihrem Ehemann frisch.
     
    Gegen sechs Uhr war es so weit. »Wir befinden uns im Landeanflug«, meldete der Steward, »und wir erwarten, dass wir Neuseeland, sobald wir diese Wolkenschicht durchflogen haben, unter uns sehen können.« In ihrer Welt, der Oberwelt, war die Sonne blutrot aufgegangen; dass der Boden dieser Welt aber eine geschlossene Wolkendecke war, hatten sie in der Aufregung gar nicht gemerkt.
    »Wolkenschicht?«, rief Marjorie, »es war doch die ganze Zeit über schönes Wetter!«
    »Du kannst mit diesem Flugzeug direkt wieder zurückfliegen«, bemerkte Esther.
    »Ich werde nie wieder fliegen.«
    Bei der ersten Erschütterung des Flugzeugs kam bei Ada eine vertraute Angst zurück, und sie umklammerte die Sitzlehne. Rumpelnd und donnernd fielen sie durch eine bleigraue Decke. Sie schloss die Augen, kaute besessen auf ihrem Kaugummi, das zum letzten Mal ausgeteilt worden war, und begann ohne große Erwartungen zu beten. Und tatsächlich sackte das Flugzeug weiter ab, immer ein paar Meter auf einmal nehmend, durch den

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