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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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für Plan-Einwanderer. Danach durften die Verlobten begrüßt werden. Über die Köpfe hinweg sah sie, dass Frank sie besorgt im Auge behielt. Sie fürchtete, dass Derks Augen bereits auf sie gerichtet waren und signalisierte ihm: Lass mich, es ist alles gut. Doch in Wirklichkeit war gar nichts gut, und es würde auch nie mehr gut werden. Der Zollbeamte machte ihr ein Zeichen, dass sie durchgehen dürfte, und sah ihr mitleidig hinterher. Ich bin eine miese Einwandererin, dachte Ada und stolperte zwischen den Paaren herum, das Zertifikat in der Hand. Überall um sie herum küsste man einander oder stand sich etwas unbehaglich gegenüber. Ihre Augen suchten und suchten, doch sie wusste selbst nicht so recht, nach wem.
    »Woher hätte ich das denn wissen sollen«, lachte der junge Mann, der bei Marjorie stand, der Hans mit den Knickerbockern von dem Foto, »hierzulande ist es anscheinend vollkommen unüblich, als Mann Blumen mitzubringen, so haben sie sofort erkannt, dass ich Holländer bin und auf meine Braut warte. Ich habe schon drei Interviews gegeben!« Er hatte ein sympathisches, offenes Gesicht, genau wie auf dem Foto. Um sie herum standen Fotografen, die »Kiss, kiss« riefen, und jedes Mal hielt Hans erneut seine Blumen hoch und umarmte sein Mädchen, Marjorie jedoch wehrte ihn jedes Mal sanft ab. Er soll mal bloß nichts überstürzen, dachte Ada. Sie drängte sich weiter durch das Meer von Männern und Mädchen, zwischen Händen auf Hüften und Ausrufen wie Oh, ich habe dich so vermisst. Sie suchte, aber suchte eigentlich auch nicht, jedenfalls nicht so, wie sie suchen sollte. Esther gegenüber stand ein Mann mit schwarzen Haaren. Wegen des Gedränges standen sie nah beieinander, doch Ada sah den Abstand zwischen ihnen. Er war einen Kopf kleiner als Esther und schien etwas erschrocken zu sein. »Ich hatte vergessen …«, hörte sie ihn sagen, »warst du nicht beim letzten Mal … bist du gewachsen?« Eine hohe, nasale Stimme. Esther gab keine Antwort und zog aus einem Impuls heraus ihre hohen Schuhe aus. Jetzt war sie nur noch einen halben Kopf größer, aber das schien das Problem nicht wirklich zu lösen. Ada zwängte sich weiter zwischen fremden Rücken hindurch, das Heulen der Motoren dröhnte noch immer in ihrem Kopf, links herum und rechts herum, keine Ahnung, wohin. Entschuldigung, murmelte sie gedankenverloren, als sie jemanden anrempelte, ich passe nicht auf, wo kann er nur sein – und wen suche ich überhaupt.
    Dann spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter, und eine Stimme, die sie an dem südholländischen Akzent erkannte, sagte: »Pastor …«
    Erschrocken drehte sie sich um. Sie stand Auge in Auge mit ihrem Ehemann und wusste in derselben Sekunde mit erschreckender Sicherheit, dass sie ihn nie lieben würde und er nichts daran ändern konnte. Sein Gesicht war nicht unfreundlich, und es war geradezu rührend, wie er sich für diesen Anlass herausgeputzt hatte: Er trug einen adretten Anzug, sein rötliches, flachsblondes Haar war zu einem nassen Scheitel gekämmt. Aber er wagte nicht, sie direkt anzusehen, sodass sie die Scham deutlich spürte und wusste, dass sie ihr das Leben vergällen würde.
    »Herr Pastor, das ist Ada«, sagte er verlegen zu einem grauen Mann mit Brille, der neben ihm stand.
    »Ada, das ist Pastor Houtsma.«
    Wie ferngesteuert streckte sie die Hand aus. Sie sah Verwirrung hinter seinen Brillengläsern, erkannte das Zögern. Er weiß es, und er verachtet mich. Derk beugte sich zu ihr, sie dachte, dass er sie küssen wollte und streckte ihm bereitwillig ihre Wange entgegen, doch er flüsterte ihr etwas ins Ohr. Deine Knöpfe. Sie guckte an sich herunter und sah, dass um ihre geschwollenen Brüste herum die Knöpfe ihrer weißen Bluse aufgesprungen waren. Lass, lass nur, sagte eine tiefe Stimme in ihrem Kopf, während sie mit nervös nestelnden Fingern versuchte, die Knöpfe wieder zuzumachen.
    Das Resultat verschaffte dem Pastor Erleichterung, er fing sich wieder und streckte seine Hand aus.
    »Willkommen, Tochter, in unserer kleinen Gemeinde«, sagte er.
    »Wir haben nun eine eigene Gemeinde«, erklärte Derk, »die erste in Greymouth. Es gibt noch kein Gebäude, der Gottesdienst findet erst einmal in einem Pub statt. Du wirst alles heute Mittag sehen, wir müssen erst das Bier aufwischen … aber wenigstens sind wir unter uns.«
    Es ist Sonntag, durchfuhr es sie, der Tag des Herrn, das hatte sie ganz vergessen. Inzwischen suchten ihre Augen weiter den Raum ab, zwischen

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