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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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sich eine Fontäne, die leise vor sich hinplätschert, und eine breite, mit Weinranken begrünte Pergola. Marjorie zeigt: eine Flagge auf Halbmast. Der Wind schlägt die Fahne mit einem klirrenden Ton gegen den Aluminiummast. Bob nickt und sieht auf seine Uhr. »Mutti«, sagt er, »ich muss los. Sonst komme ich zu spät. Kann ich dich hier allein lassen?« Er gibt ihr einen Kuss auf die Wange. »Wo sind sie nur alle?«
    Eine heftige Angst überkommt sie, nicht vor der Stille, sondern gerade vor denjenigen, die sie durchbrechen könnten. Aufgeregt schwatzend läuft sie mit ihrem Sohn zurück zum Parkplatz. Die Armschlinge zieht an ihrem Hals. Unter dem Gips juckt es. Das schwarze Kostüm ist zu warm, Hans ist im November gestorben. Sie nimmt sich vor, sich gleich auf der Terrasse unter einem Sonnenschirm an einen dieser Holztische zu setzen und zu warten, bis es losgeht.
    »Ihr seid aber doch rechtzeitig zurück?«
    »Wenn ihr Flugzeug keine Verspätung hat.«
    Sie kann ihm ansehen, dass er sich freut. Er hat seine Jüngste monatelang nicht gesehen. Die ganze Familie stand auf Schiphol, genau wie ein paar Schulfreundinnen mit nabelfreien Hemdchen. Und ein niedlicher, kleiner Freund mit einer Jeans, bei der der Schritt irgendwo zwischen den Knien hing, war dabei. Sie alle waren morgens um sechs Uhr angetanzt, um Hannah zu verabschieden. Dummdidumm, sagte sie fröhlich, als würde sie für einen Tag in den Vergnügungspark Efteling fahren und nicht ein Jahr lang allein durch Australien backpacken. Marjorie hat noch deutlich vor Augen, wie der schmale Rücken in der Lederjacke hinter dem Zoll verschwand, tapfer und aufrecht. Die langen, dunklen Locken, auf denen eine Kappe thront, wie man sie heutzutage öfter bei jungen Leuten sieht. Ein Kind noch, neunzehn Jahre alt, was ist das schon. Und viel zu hübsch. Vera heulte natürlich, den ganzen Rückweg über und auch noch beim Kaffee. Marjorie hat ihre Schwiegertochter angesehen und an ihre eigenen Eltern gedacht, damals.
    Sie beobachtet, wie ihr Sohn den Mietwagen zurücksetzt und winkt ihm dann mit dem gesunden Arm zu. Vergiss die Lakritze nicht, will sie rufen, aber er gibt Gas und fährt vom Parkplatz herunter, den Weg entlang, in Richtung Ausfahrt.
    Sobald Bob außer Sichtweite ist, kehrt die Unruhe mit voller Macht zurück. In der Ferne sieht sie ein Taxi ankommen. Sie dreht sich mit einem Ruck um und fängt an zu laufen. Ich brauche eine Tasse Kaffee und etwas Süßes, einen Scone oder einen Muffin, irgendetwas, das wird helfen. Kleine Steine knirschen unter ihren Schuhsohlen, während sie zum Restaurant zurückgeht, in der Hoffnung, dass dort nun irgendein Kellner ist, mit Schürze um die Hüften und Schreibblock in der Hand, der ihre Bestellung aufnimmt. Sie versucht sich vorzustellen, dass sie im Urlaub ist und zusammen mit Hans eine Weinroute abfährt. Zum Mittagessen werden sie eine ganze Flasche Pinot Blanc trinken und frische Forelle essen. Hinterher fahren sie dann zurück zum Hotel, um dort wunderbar zu schlafen. In diesem herrlichen Hotelbett halten sie einander an den Händen und sagen: Weißt du noch dies, erinnerst du dich noch an das.
    Wütende Tränen springen ihr in die Augen. Wo bist du nur jetzt, fragt sie laut. Diese Frage stellt sie sich schon vier Jahre lang, doch sie bekommt darauf keine Antwort. Der Tod ist eine unsichtbare Mauer, eine Wand aus Plexiglas, an der sie sich ohne Unterlass die Nase stößt. Sie kann sich nichts darunter vorstellen, unter »nicht da sein«. In der Volksschule hatte das Fräulein ein Bündel Bleistifte vor ihre Nase gehalten und gesagt: Nimm dir jetzt einmal null Bleistifte … nein, das sind drei … nein, das sind vier … nein, das sind nun elf. Es war ihr nicht gelungen, und vor lauter Frustration hatte sie mit den Füßen gestampft. Den Begriff Null hat sie nie mehr vergessen. Den Tod kann sie ebenso wenig vergessen. Sie hat immer über Hans’ Witze gelacht – wenn auch nicht von Herzen, so doch aus Liebe –, aber dieser letzte ist wirklich nicht zum Lachen. Sie lässt sich auf die Holzbank fallen, nimmt ihren Arm aus der Schlinge und legt ihn vor sich auf den Tisch. Unter dem Sonnenschirm ist es besser auszuhalten.
    »Hello …«, ruft sie. Ihre Stimme wird vom Wind verschluckt.
    Irgendwo hinter den Gebäuden hört sie ein Taxi vom Parkplatz herunterfahren. Jetzt muss jemand da sein. Wenn ihr Herz nur etwas weniger rasen würde.
     
    Ada sitzt noch immer auf der Bank an der Bushaltestelle und nimmt

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