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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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all ihren Mut zusammen, um das Weingut zu betreten. Ihre neuen, schwarzen Lackschuhe sind staubig. Immer diese schmutzigen Schuhe, wenn man aus dem Bunker heraus wieder ans Licht kam.
    Zitternd stand sie am Fuße des Hügels. Derk zeigte nach oben. Sie traute ihren Augen nicht. »Ein Bunker?« Er zog sie triumphierend hinter sich her durch die lockere, nasse Erde. Ihre Füße sackten im Schlamm tief ein. »Sie hatten Angst vor einer Invasion der Japaner«, erklärte er. Keuchend kamen sie oben an. Es war nicht mehr als ein viereckiger Betonkasten. Eine Tür, daneben ein Guckloch, das man herausgehauen und zum Fenster umgebaut hatte. An der Außenmauer ein Wasserhahn mit einem Eimer darunter. Auf dem Hügel stand ein einsamer Baum, der schonungslos bis zum Stamm zurückgeschnitten war. Überall Sand und Schlamm. Derk schien das nicht zu sehen. Er drehte sie um, sodass sie mit dem Rücken zum Bunker stand, und zeigte ihr den Ausblick. Sie klapperte mit den Zähnen, vor Kälte und vor Entsetzen. Und doch sah sie auch die Schönheit. Unten das Dorf, die breite Straße, die geradewegs auf den Fluss zulief, der Fluss, der im Ozean mündete. Hohe, schwarze Kräne in der Ferne im Hafen, die sich dramatisch gegen den violetten Himmel abhoben. Seit dem Arthur’s Pass hatte es nicht aufgehört zu regnen. Sehnsuchtsvoll sah sie auf die normalen Häuser unten im Dorf.
    »Das Grundstück gehört der Gemeinde«, erklärte Derk, »aber der Bunker gehört uns.«
    Und das Meer kann nicht bis hier oben kommen, dachte sie, denn sie versuchte zu begreifen, doch als sie es laut sagte, verzog sich sein Gesicht, und seine Arme umklammerten seinen mageren Oberkörper, als würde er sich gegen ihren hochmütigen Gedanken schützen. »Wenn Gott die Sünder strafen will, so schickt er seine Fluten, wohin er will.« In ihrem Bauch bewegte sich das Kind, das in Sünde gezeugt war.
    Drinnen im Bunker war es dunkel und feuchtkalt. Er zeigte ihr ein grobes Loch in der Wand, um das große Stücke Beton herumlagen. Da würde der offene Kamin hinkommen. Aber er hatte dafür zu wenig Zeit gehabt, denn er musste hart arbeiten bei der Eisenbahn. Zitternd stand sie in dem kahlen Raum und sah auf den trübsinnigen Jungen, ihren Ehemann, wie er am Beton rüttelte. »Die Menschen hier«, sagte er, »die halten dich zum Besten. Du musst Mitglied in der Gewerkschaft sein, aber das kommt überhaupt nicht in Frage. Bringen sie dir Wörter bei, dann scheinen das schlüpfrige Wörter zu sein. Da können sie noch so oft verkünden, dass sie an Gott glauben, aber ihre Taten bezeugen das Gegenteil.«
    Jetzt wegrennen, sagte jemand irgendwo in weiter Ferne, jetzt umkehren, jetzt springen.
    Ein Tisch, zwei Stühle, ein Betonfußboden. In der Ecke hatte er schon damit angefangen, eine Holzwand niederzureißen und einen Teil des Fußbodens aufzubrechen, damit es weniger feucht würde. Er hatte mit allem angefangen. Nur das Bett war fertig. Die Matratze sei spottbillig gewesen, sagte er. Stamme aus dem Mobiliar eines alten Witwers, der kürzlich verstorben war. Eine ordentliche Matratze. Sie schluckte ihre Tränen herunter und sagte seinen Namen. »Derk?« Endlich sah er ihr gerade in die Augen. Sie griff seine Hand. »Das hast du gut gemacht«, flüsterte sie. Seine Gesichtszüge wurden weicher.
    Das Taxi, das den Zufahrtsweg hochgefahren ist, kommt zurück, ohne den Passagier.
Well
, denkt Ada, wenn ich hier noch lange sitzen bleibe, kann ich mit dem Bus zurück zum Hotel fahren. Sie steht auf und überquert die Straße. In den Kniegelenken hat sie heftige Schmerzen. Dennoch verspürt sie noch immer eine sonderbare Aufregung, die nicht unangenehm ist. Sie läuft unter dem gusseisernen Bogen hindurch und beginnt eine lange Wanderung zwischen den Weinreben. Da bist du ja, sagt eine tiefe Stimme.
     
    Auf dem Parkplatz nimmt Esther ihre Puderdose aus der Tasche, klappt den kleinen Spiegel auf und malt ihr Make-up nach. Im Sonnenlicht sieht man alle Jahresringe auf der Haut, leider, man kann nichts dagegen machen. Sie zieht ihre Lippen nach und kontrolliert, ob keine Haare auf ihrem Kinn zu sehen sind, so wie früher bei Oma Berthi, doch das ist nicht der Fall. Vielleicht sind ihre Augen einfach zu schlecht, um sie zu entdecken. Eigentlich kann es ihr egal sein. Was du nicht weißt, macht dich nicht heiß. Sie fragt sich zum soundsovielten Mal, ob Marjorie wohl gekommen ist, ob sie den Mut aufgebracht hat. Sie setzt ihre Sonnenbrille auf – eine Brille aus den

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