Brautflug
ihm stundenlang zuhören, weil ihr der Klang gefiel und ihr der Inhalt gleichgültig war. Es war, als würde sich das Zimmer mit leichter Musik erfüllen.
»Ich sage: Geoff, ich war bei der Armee, und ich habe das alles schon einmal gehört. Es also
bloody
dies und
bloody
das … und wir rudern mit dem
bloody
Boot zurück zu diesem
bloody
Ort, wo wir die Netze ausgeworfen hatten … und ich schwöre dir, dass ein Mensch sich verschwindend klein fühlt auf dem Wasser zwischen den riesigen Wellenbergen … und was denkst du? Einundzwanzig
butterfish
… ein paar riesige
Mokis
, ein paar
Kawhai
… und einen kleinen Hai. Und Geoff hatte bereits die
bloody fish
filetiert … ich durfte nichts machen … er denkt, dass ein Dutchie das nicht kann … tja, die Illusion will ich ihm nicht nehmen!« Dann schlug er sich auf die Knie vor Lachen und versah jeden großzügig mit Bier. Er war schon auf dem Mount Cook Skifahren gewesen und auf dem Lake Ida Schlittschuh gelaufen, war auf dem Lewis Pass auf Hirschjagd gewesen und hatte in Lyttelton Harbour gefischt, und all die Dinge würden sie auch machen, wartet’s nur ab.
Obwohl er in Holland Architektur studiert hatte, arbeitete er hier bereits seit zwei Jahren als Zimmermann, von Norden nach Süden, auf dem Bau und auf Bauernhöfen. Voll Stolz zeigte er seine aufgeschürften, mit Schwielen übersäten Hände, und er ärgerte sein Mittelschichtsmädchen damit: »Hättest du nicht gedacht, was? Jetzt hast du einen Arbeiter an der Hacke.« Er himmelte Marjorie an. Zwischen zwei Sätzen konnte er auf einmal schweigen und mit kindlich erstauntem Blick seine beiden Hände um ihre Taille legen und ausrufen: »Wer hätte das je gedacht!«
Esther sah das Konstrukt, in dem die zwei operierten. Marjorie drehte sich um ihre eigene Achse, wie eine Prinzessin auf ihrem Sockel, und er tanzte lärmend und fürsorglich um sie herum, und wenn sie sich in unerwarteten Momenten seufzend nach hinten fallen ließ, dann war er da, um sie aufzufangen und ihr mit dem nächsten Witz wieder auf die Beine zu helfen.
Die zwei waren so verliebt, dass Leon und sie nicht zurückstehen wollten und schon schnell ein ganz ähnliches Verhalten an den Tag legten, sodass sie zu viert zwei verliebte Paare waren, bei denen es noch nie Probleme gegeben hatte, vier befreundete junge Menschen, die im Mädchenzimmer die Fenster aufrissen, Zigaretten rauchten, Bier tranken und Witze machten, im Hintergrund der Einzug des Nikolaus auf Radio Nederland, während draußen eine Brise durch Blütenzweige wehte und in der Luft einen süßen Duft hinterließ.
Am freien Sonntag zogen sie zu viert zusammen los, um schwimmen zu gehen oder zu reiten. Auch die neuseeländischen Bekannten von Hans waren oft dabei. Von ihnen lernten sie picknicken, so wie die Kiwis das taten: mit Sandwichs, Scones, Pudding, Cakes, alles
home made
, sogar die ewige Teekanne auf einem offenen Feuer war dabei. So eine Art von Leben führte sie, und obwohl sie noch immer jede Nacht im Dunkeln ihren Titanenkampf ausfocht, genoss sie die Tage. Schließlich hatte sie Hans so weit, dass er ihr Motorradfahren beibrachte, auf den Schotterstraßen in den Hügeln. »Denk mal nicht, dass ich es mich nicht traue«, sagte Marjorie am selben Abend, während sie giftig Esthers Bluse von dem gemeinsamen Stuhl entfernte, »aber Hans will unter keinen Umständen, dass ich das tue … er findet das viel zu gefährlich … er macht sich so große Sorgen um mich!« Um dann noch im selben Atemzug hinzuzufügen: »Haben Leon und du schon Heiratspläne?«
Nachts lauschte Esther ganz verzückt dem leisen Schnurren, dem Mädchenschnarchen aus dem anderen Bett.
In Wirklichkeit war sie schon gefragt worden. »Dann sollten wir wohl mal heiraten«, sagte Leon einmal im sonnigen Dünensand. Sie lagen etwas abseits von den anderen und küssten sich, er sagte es ernsthaft, jedoch auch ein wenig verschmitzt, und er sah schräg nach unten auf seine nackten Füße. Sie hatte genickt, natürlich, das könnte man durchaus tun.
»Aber es muss nicht gleich sein«, sagte sie, um sich selbst und ihn zu beruhigen.
Ansonsten sprachen sie nicht zu lange darüber, da sie bei diesem Thema selbst nicht weiterwussten. Heiraten, das bedeutete, miteinander ins Bett gehen und eine Familie gründen. Ich bin nicht der Typ dafür, dachte sie, während sie ihn küsste, er ist genauso liebeshungrig wie ich, aber die Frage ist, ob wir die Richtigen füreinander sind. Die Frage ist, ob
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