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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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hielt sie ihrer Landlady vor, dass sie mit einem leicht glockigen Faltenrock ein reizendes, schlankes Bild abgeben werde. War das nicht zu aufwendig, ein Faltenrock? Am Faltenrock erkennt man den Meister, antwortete sie unbestimmt, und Peggys Augen fingen träumerisch an zu glänzen. Sie vereinbarten einen Preis und suchten zusammen bei Ferguson Fabrics einen schönen, leichten Wollstoff in einer Farbe aus, die sie der Einfachheit halber Banane nannten. Um Revers, Manschetten und die Unterseite abzusetzen, wählten sie eine blassgelbe Variante. Für den Rock einen modernen Stoff, knitterfrei, mit Fischmotiv auf einem perlweißen Untergrund, sehr schick.
    »Fische«, zögerte Peggy.
    »Natürlich«, sagte Esther, »was denn sonst?« Sie versicherte ihrem Opfer ein Resultat, mit dem sie ihre Freundinnen allesamt niederschmettern würde. Peggy kicherte. Sie war für gewöhnlich nicht so niederschmetternd.
    Jetzt war für Esther an Überstunden in der Fabrik nicht mehr zu denken, sie hatte ihre Abende dringend nötig, um zu skizzieren, zu überlegen, Maß zu nehmen, das Muster zu zeichnen, ein Musterkleid zu nähen und anzuprobieren. Peggy fand das alles einmalig und protestierte nicht, als Esther ihr anstatt der Falten zu einem Kaskadevolant riet, was den Rock ein Stück weniger gediegen machte. Sie widersprach auch nicht, als Esther mit Nachdruck behauptete, dass unter dieses Ensemble noch eine Bluse mit Jabot gehörte und dass sie dies alles schon genau im Kopf vor sich sähe.
    Jetzt hab ich dich. Angebissen. Vorwärts, weiter geht’s.
    Marjorie klagte über die Unordnung, aber Esther ließ sich nicht ablenken und legte zur Inspiration Stoff, Papier, Seidenbänder und Knöpfe auf dem Teppich aus. Mit ihrem Vorschuss kaufte sie bei Ballantynes ein modernes Bügeleisen und lief damit ganz verliebt aus dem Kaufhaus.
     
    Am Abend des fünften Dezember machten Esther, Leon, Marjorie und Hans einen mannhaften Versuch, Nikolaus zu feiern, was in der Hitze und ohne Spekulatius nicht einfach war. Sie bekamen einen Lachkrampf. In Form eines Nikolausgedichts ließ Hans die Überraschung für sein Mädchen aus dem Sack: Er hatte eine Wohnung im Souterrain für sie gefunden, in der Armagh Street. Es waren zwei Zimmer, eine Küche, das Badezimmer mussten sie sich mit zwei anderen Paaren teilen, und man musste Pennys in einen Apparat für Warmwasser werfen, aber es würde die erste gemeinsame Wohnung für sie sein.
    Wollte sie ihn heiraten?
    Wie zu erwarten, juchzte Marjorie auf und fiel ihm um den Hals. Sie drückte ihren Körper gegen seinen, da sie bereit war für ihre Ehe und für alles, was dazugehörte. Esther wich Leons Blick aus und griff schnell nach dem nächsten Päckchen.
     
    Hans und Marjorie beschlossen, kurz vor Weihnachten zu heiraten. Marjorie kündigte mit dem größten Vergnügen ihren Job. Hans wurde der Hauptverdiener und sie die Mutter ihrer Kinder, denn so gehörte es sich.
    Von da an stand alles im Zeichen der anstehenden Hochzeit. Die zukünftige Braut konnte von nichts anderem mehr reden. Heiraten, heiraten, heiraten, in ihrem Mädchenzimmer fiel das Wort so oft, dass es wie geschmolzener Zucker am Teppich und an den Fußsohlen zu kleben schien. Marjorie störte das nicht. Energisch klopfte sie ihr Brautkleid auf dem Balkon aus, als hätte der große Frühjahrsputz begonnen. Es war ein Wunder, dass das zarte Kleid das überlebte. Zu allem Überfluss kam per Schiffspost die
Katholieke Illustratie
an, auf der sie als Braut posierend die Titelseite zierte, eine unerwartete Erinnerung an ihren Abschied in London. Sie wetterte, dass ihre Mutter ihr nur ein einziges Exemplar geschickt hatte, und zeigte die Zeitschrift, so oft es irgendwie ging, jedem, der das Pech hatte, sich gerade in ihrer Nähe zu befinden – und das war meistens Esther. Während sie versuchte, sich auf die Gestaltung der Ärmel des Tailleurs zu konzentrieren, musterte Marjorie das Foto eingehend.
    Sie sagte: »Die Zähne!
    Sie sagte: »Die Haare!«
    Sie sagte: »Aber so krank sehe ich doch nicht aus?«
    Sie sagte: »Wie findest du nun eigentlich mein Kleid?« (Esther gelang es, diese Frage geschickt zu übergehen.) Sie wurde nervös und unsicher. Jeden Abend holte sie ihr Kleid, Schleier und Handschuhe aus dem Schrank und kontrollierte alles auf imaginäre Flecken und Fehler. Dabei plapperte sie unentwegt weiter.
    Sie sagte: »Meine Haare hochgesteckt oder offen mit Locken?«
    Sie sagte: »Muss ich den Rock etwas mehr stärken?«
    Sie

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