Brautflug
große Küche, in der ein Mann mittleren Alters dabei war, den Abwasch zu machen, und sie stellte ihn als Gordon, den
Landlord
, vor. Der Mann, in einem ausgeleierten, löchrigen Pullover, entschuldigte sich für seine Seifenhände.
»Did your wife die?«, fragte Esther mitfühlend.
»Good Lord, no«, lachte er, »why?«
Sie stammelte etwas vor sich hin. Marjorie klärte sie auf, während sie auf der Suche nach Peggy ins große Wohnzimmer liefen. Es war in diesem Land normal, dass Männer bei der Hausarbeit halfen. Sie mussten beide darüber lachen. Was für arme Schlucker.
»Und wie der Mann aussieht«, sagte Esther, »wie ein Müllmann.«
Er war Rechtsanwalt. Seine Frau, bei der ein Anflug von Mütterlichkeit den hübschen Zügen etwas genommen hatte, war anständig gekleidet, so brav, dachte Esther, so englisch, und sie beschloss, dass dies ihre erste Kundin werden würde. Es waren herzliche Leute, und sie wünschten ihr eine gute Zeit unter ihrem Dach. Ihr Einzug wurde mit Tee und Selbstgebackenem gefeiert, und die ganze Zeit über spürte sie einen Frühlingswind durchs Haus gehen. Es schien, als brauchte man hier nie eine Tür zu schließen. Als sie nicht viel später durch die offenen Balkontüren sah, wie die untergehende Sonne die Stadt in eine orangerote Glut tauchte, wurde sie fast sentimental. Sie war kurz davor zu glauben, dass es doch möglich war, das Geschehene wieder gutzumachen. Hier war kein Platz für Raubtiere. Die waren unvorstellbar, mit den kleinen Teerosen auf dem mintgrünen Teppich.
Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in Neuseeland packte Esther ihre Koffer aus. Die paar Skizzen, die sie in den nächtlichen Stunden im Hotel gemacht hatte, pinnte sie auf die Tapete oberhalb des Sofas. Frauentorsos in wüsten, beschwörerischen Kreidestrichen, mit Abendkleidern, die einem vom Papier entgegenleuchteten.
»Schön«, sagte Marjorie, »apart. Nicht mein Geschmack, aber sonst ganz schön.«
Über ihrem eigenen Bett hing rechteckig und ordentlich ein altholländisches Nesseltuch. »Von zu Hause gemopst«, gestand sie strahlend. »Ich hätte zu gerne Pas Gesicht gesehen!« Dann streckte sie sich auf ihrem Bett aus und sah zu, wie ihre neue Zimmergenossin die Skizzen aufhängte. Währenddessen plapperte sie endlos weiter, wie müde sie nach dem Flug gewesen war und dass sie an nichts mehr Spaß gehabt hatte, an rein gar nichts. Das ganze Neuseeland hätte sich in Luft auflösen können, wenn es nach ihr gegangen wäre. Und Hans dazu. Sie musste bei der Erinnerung lachen.
»Weißt du, was ich am allerschlimmsten fand?«
Nein, das wusste Esther nicht.
»Seine Hände. Verrückt, oder?« Sie hatte sich so nach diesen Händen gesehnt, seine lieben, großen Hände, die er immer um ihre Taille legte, diese Hände, von denen sie zwei Jahre lang geträumt hatte, und dann, als sie auf dem blöden Flughafen ankam, als alles grässlich war, da gefiel auch er ihr nicht mehr, und während der Busfahrt musste sie ununterbrochen auf seine Hände starren, und sie hörte überhaupt nicht, was er sagte, dachte immer nur: Was ist nur geschehen, etwas stimmt nicht. Seine Hände waren rau, mit kleinen Hautschuppen.
Er hatte sie zu diesem Zimmer gebracht, und sie hatte zwar sehr wohl gesehen, wie schön es hier war, wie gut er alles für sie organisiert hatte, aber er guckte sie so erwartungsvoll an, dass sie die Worte des Dankes nicht über die Lippen brachte, sie fummelte etwas am Revers seiner Jacke herum und wollte eigentlich am liebsten weinen. Leg du dich erst mal schlafen, sagte dieser herzensgute Kerl, und ich hole dich morgen ab.
»Ich konnte nicht gleich mit ihm kuscheln. Obwohl ich mich so darauf gefreut hatte.«
Esther fragte sich, was sie wohl unter Kuscheln verstand, sagte aber nichts und nahm das Brautkleid aus Satin aus dem Koffer, verkrumpelt und zerrissen. »Oh«, erschrak Marjorie, »wenn man das mal flicken kann.« Und sofort ratterte sie weiter, dass alles anders geworden war, als sie nach vierundzwanzig Stunden Schlaf die Gardinen aufgezogen und geradewegs in den stahlblauen Himmel gesehen hatte.
»Man schläft hier wahnsinnig gut«, seufzte sie, »das wirst du selbst merken.«
Ach, und dann war auf einmal die Welt wieder in Ordnung. Hans, seine Hände und dieses Land. Er kam mit dem Motorroller, um sie abzuholen, und sie fuhren aus der Stadt heraus, in die Berge, und prompt wurde sie fröhlich und war ganz entzückt, so schön fand sie alles. Und da irgendwo auf einem Hügel waren
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