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Breakfast on Pluto

Breakfast on Pluto

Titel: Breakfast on Pluto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick McCabe
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Liebe – mit der wahren Fickliebe, komm schon!« Er ließ mich kurz los, um die Musik aufzudrehen – kaum zu glauben, es war die Melodie aus Die Sommerinsel! –, und jetzt spielte sie so laut, daß ich nicht begreife, weshalb uns niemand gehört oder gesehen hat. Wahrscheinlich kannte er die Gegend gut – ich erinnere mich an die Hammersmith Bridge in der Ferne, aber offenbar war es eine Art ehemaliges Fabrikgelände –, und er wußte, was er sich herausnehmen konnte und was nicht. Zwar konnte ich nur wenig erkennen, so sehr quollen mir die Augen aus dem Kopf, aber draußen vor dem Fenster schien sich eine Müllkippe zu befinden. Ich hätte schwören können, daß eine Möwe vorübertrippelte. Aber vielleicht war es auch nur einer von Charlies imaginären Vögeln. »All die Dinge, die ich malen werde«, sagte sie, als Silky seine Zunge in meinen Mund steckte. Inzwischen war die Musik geradezu ohrenbetäubend, und warum mir ausgerechnet in diesem Augenblick ein Melodiefetzen aus South Pacific in den Sinn kam, weiß ich bis heute nicht, aber dann – und zwar genau in dem Augenblick, als er wieder diese verfluchte Schnur um meinen Hals zuzog – erscholl aus dem Äther wirklich Mitzi Gaynor, und vielleicht war ich deshalb beschämt, weil ihre Stimme so schön und rein klang. Als stünde sie, die Hände in die Hüften gestützt, mit hochgestecktem Haar dort am Strand und riefe: »Patrick – warum?« Ich weiß nicht, wie ich sein Ohr zu fassen kriegte, aber sobald es mir gelang, grub ich meine Zähne in sein Fleisch, so fest ich konnte. Was mir die Flucht erleichterte, war natürlich der Umstand, daß sein anderes Organ immer noch zustieß.
    Im Geiste rief ich Charlie zu: »Du solltest ›einen blutpumpenden Lügner malen, gekreuzigt vor einem Hintergrund aus Müll‹!« Was er jetzt nämlich war, als er aus dem Auto taumelte und jaulte und brüllte: »Du verdammtes irisches Miststück, du! Ich bring dich um! Du verfluchte irische Drecksau! Meine Augen! Himmel, ich bin geblendet!«
    Was gelogen war – er war überhaupt nicht geblendet. Meine Fingernägel hatten ihn überhaupt nicht richtig erwischt.
    Was in aller Welt die sich gedacht haben müssen, die armen Autofahrer, die durch ihre Windschutzscheiben zusahen, wie ich mir mitten auf der Autobahn meine Kleider anzog, und die Augen quollen mir immer noch aus dem Kopf. Ich machte mir nur Sorgen, daß es so kommen würde wie in den Horrorgeschichten, wo du einem Irren entfliehst, und du kletterst zu einem netten Herrn ins Auto, der dich retten wird – und dann stellt sich raus, der ist noch wahnsinniger als der erste!
    Glücklicherweise kam es aber doch nicht so. Er war superfreundlich, der Fahrer, ganz besorgt – und fuhr mich sogar zum Krankenhaus. Nur, daß ich, kaum daß er mich abgesetzt hatte, wie ein geölter Blitz davonraste, weil mir einfiel, daß man mir wahrscheinlich eine Menge Fragen stellen würde, etwa: »Wo arbeiten Sie?« Irgendwie glaube ich, daß die Antwort, die sie gerne gehört hätten, nicht gerade lautete: »Auf dem Fleischmarkt, Piccadilly Circus.«
    Zum Glück waren meine Verletzungen doch nicht so schwer – bis auf den Schock, das muß ich sagen! Noch Tage danach wußte ich nicht, ob meine Beine aus Bindfäden waren oder aus Stroh oder was. Fest stand nur eins – aus Fleisch waren sie nicht! Ich war so high, ich hätte hinauflangen und mir ein oder zwei Planeten in die Tasche stopfen können. Meine Füße – Himmel noch eins, bald waren sie fünf Zentimeter kurz, dann wieder fast so lang wie die Straße! Ich ging die Straße entlang, lief und pfiff vor mich hin, als ich ihn plötzlich sah – Silky! Wie eine schaurige Ausgabe von Robert Redford stand er vor irgendeinem Laden und betrachtete die Auslage, oder er sah auf die Uhr, bevor er ins Taxi sprang. Ich war mehr als eine halbe Stunde gerannt, ehe mir der Gedanke kam, daß es vielleicht gar nicht Silky war. Ich würde ja wirklich gern sagen, daß die Zeit wie im Fluge verging und meine Wunden sich irgendwann schlossen. Aber ich fürchte, von jemandem wie Silky gewürgt zu werden – darüber kommt man nicht so leicht hinweg. Besonders wenn ihr euren Lebensunterhalt verdienen müßt und jedesmal, wenn irgend so ein Flötenhändler die Lippen an euer Ohr hebt und flüstert: »Ich liebe dich!«, es mit der Angst zu tun kriegt, daß ihr euch kurz danach auf einer Müllkippe wiederfindet. Um euch eine Vorstellung davon zu geben – ehe ich an dem Zaun gegenüber der Eros-Statue

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