Breaking News
ferngesteuert macht er Platz, um sie mit ihrem schweren Handkarren vorbeizulassen, auf dem sich medizinisches Gerät und Pappkartons voller Verbandszeug stapeln. Eine schimmernde Flut schwarzer Haare ergießt sich über ihre Schultern.
» Du bist ja ein schöner Kavalier«, höhnt Yousef. »Hältst Maulaffen feil und lässt sie schleppen.«
Recht hat er. Jehuda besinnt sich und eilt ihr hinterher.
»Kann ich helfen?«
»Nehmen.« Sie drückt ihm die Griffe des Karrens in die Hände, zeigt auf einen der Laster. »Da. Aufladen, zurückkommen.«
Ihr Hebräisch klingt lausig, breites Amerikanisch schlägt durch, auch mit dem Wortschatz scheint es nicht weit her zu sein.
»Wir haben leider wenig Z –«
»Ich weiß«, unterbricht sie ihn. »Halbe Stunde, dann weiter.« Schaut ihn mit gerunzelten Brauen an. »Was rumstehen? Go ahead !«
Jehuda setzt sich in Bewegung, ziemlich perplex.
»Und was sind das für Leute?«, fragt er, während er die Kisten auf die Ladefläche wuchtet.
»Holocaust.« Das Mädchen füllt irgendwelche Listen aus. »Überlebt. Zwischendurch in Camps. Auf Zypern, wegen Einreisebeschränkung. Jetzt zu Armee, kämpfen. 7. Brigade.«
»Haben die überhaupt eine Ausbildung?«
»Ausbildung?« Sie starrt ihn an. »Glaubst du, Araber warten, bis hier alle Ausbildung?«
Jehuda wirft einen skeptischen Blick auf die Neuankömmlinge. Fragt sich, ob je einer von denen ein Gewehr in der Hand gehalten, geschweige denn einen Schuss abgegeben hat.
Na, die 7. Brigade wird sich herzlich bedanken.
»Mach fertig!«, drängt sie. »Ich bin noch viel Arbeit.«
» Habe noch viel Arbeit«, korrigiert Jehuda sie mechanisch. »Wie heißt du?«
»Phoebe.«
»Jehuda.« Lächelt sein Lächeln, von dem er weiß, dass es Herzen und Schlafzimmertüren öffnet.
»Soldat?«
»Nein, nein. Ich studiere Landwirtschaft. Bin in Rechovot eingeschrieben, wir sind einfach mal nach Jaffa –«
»Andermal. Weiter.«
Yousef kommt aus dem Grinsen nicht mehr raus, packt aber wenigstens mit an. Phoebe gehört zu einer Versorgungseinheit, weil Frauen in den Streitkräften nicht kämpfen dürfen. Falsche Entscheidung, da hegt Jehuda keinen Zweifel. Ein paar Hundertschaften von der wären geeignet, die komplette Jordanische Legion in Angst und Schrecken zu versetzen.
»Du bist sehr hübsch«, sagt er, und weil es erstens wahr und zweitens an Einfallslosigkeit nicht zu überbieten ist, schiebt er hinterher: »Nur dein Hebräisch ist beschissen.«
Sie schaut ihm trotzig ins Gesicht.
»Ich lern schnell. Nächstes Jahr spreche besser als du.«
»Warum unterhalten wir uns nicht auf Englisch«, schlägt er vor.
»Weil wir keine Zeit für Unterhaltungen haben«, antwortet sie in ihrer Muttersprache.
»Gut. Ich mach dir einen Vorschlag. Ich helfe dir hier mit allem, solange du mich brauchst. Wo müsst ihr anschließend hin?«
»Nach Hulda. Kibbuz Hulda.«
Eine knappe Stunde entfernt. In der Nähe von Latrun, einer heiß umkämpften Gegend. Alles andere als ein sicherer Ort.
Egal.
»Ich komm mit und helfe dir beim Abladen. Ich mach alles, was du willst, wenn du dafür mit mir – spazieren gehst.«
»Spazieren.«
»Ja.«
»Du spinnst wohl.«
Sie stapft davon und lässt Anweisungen und Schimpfworte auf zwei Mädchen niedergehen, denen ein Stapel Decken in den Dreck gefallen ist. Jehuda kratzt sich ratlos am Kinn.
Ich bin noch viel Arbeit.
Weiß Gott.
»Mach dir nichts draus.« Yousef schlägt ihm auf die Schulter, sichtlich erheitert. »Gehen wir was trinken.«
Phoebe kommt zurück.
»Spazieren! Was fällt dir ein? Ich bin New Yorkerin, keine von deinen Landgänsen. Du kannst mich zum Essen einladen, du Bauer. In Tel Aviv.«
»Äh –« Jehuda schluckt. »Ist gut.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Gerne.«
»Schön. Dann krempel mal wieder die Ärmel hoch.« Sieht seine Verblüffung, lacht auf. »Was übrigens das Restaurant angeht –«
»Keine Angst, ich hab da ein –«
»Hast du ganz sicher nicht. Überlass das mir. Ich kenne Restaurants, von denen du gar nicht weißt, dass es welche sind.«
Latrun
Arik träumt von einer Zeit, die es nie gab.
Männer, die auf Pferden über blühende Felder galoppieren, lachend den Fluss entlangstieben, sich vor einer glutroten Sonne sammeln. Schon diese Sonne: Wie auf Daunen gebettet hängt sie über dem Horizont, sinkt tiefer in ihr graues Federbett, und gleich wird es Rührei geben unter einem Leimband voller Fliegen, Brot und Oliven und klebrigsüße Teilchen, vollkommenes
Weitere Kostenlose Bücher