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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Glück.
    Genau das sollte ihn misstrauisch stimmen.
    Es gab nie vollkommenes Glück.
    Er schnuppert.
    Der Wind kommt aus westlicher Richtung, was dem Abend eine erquickende Frische verleiht. Bis hierher kann man die salzige See riechen. Eidechsen schlängeln sich durchs Gras, über der Ebene tanzen Raben, Verdruss bekundend, Singvögel weben Melodien in die Dämmerung. Im nahe gelegenen Wäldchen nehmen die Füchse ihr geheimes Leben auf, streifen umher, die Augen funkelnd im Unterholz, eine geheilte Welt, doch wie kann sie geheilt sein, wenn die Männer Gewehre in der Hand halten und er wie festgewachsen dasteht, seiner Bewegungsfreiheit beraubt?
    Denn genau das wird ihm gerade klar.
    Dass er außerstande ist, sich auch nur einen Millimeter von der Stelle zu rühren.
    »Arik!«
    Sein Vater Samuel, ungewohnt euphorisch.
    »Wo ist dein Messer?«
    Sein Messer!
    Schaut erschrocken an sich herab.
    Himmel, wo ist sein Messer?
    Müsste es nicht in seinem Gürtel stecken? Aber da ist nichts, rein gar nichts. Stattdessen hält er eine Geige in der Rechten, mitsamt Bogen.
    Eine Geige !
    Scham erfasst ihn, was seinen Vater aber nicht zu stören scheint, ganz im Gegenteil. Er kommt herangeritten und entbietet ihm eine Art Salut,und auch das ist in höchstem Maße verdächtig, denn das einzige Mal, dass Samuel je vor ihm salutierte, war, als Arik – schon volljährig und Mitglied der Hagana – von einem seiner nächtlichen Einsätze gegen arabische Terroristen zurückkehrte, und der Alte regelrecht strammstand, versöhnt mit den schulischen Leistungen seines Sohnes angesichts seines Mutes.
    In diesem Traum ist Arik ungefähr sechs. Den Dolch hat er im Vorjahr zum Geburtstag bekommen, neulich erst die Geige.
    Die beiden Pole seines Lebens.
    Geige. Messer.
    Was soll er tun?
    Am Horizont färbt sich die Sonne dunkel. Schwillt bedrohlich an, zersetzt ihr Bett aus Wolken, und es wird heiß, unerträglich heiß. Arik weiß, er müsste etwas sagen, doch vor lauter Durst klebt ihm die Zunge am Gaumen, sodass er nur ein Stöhnen zustande bringt.
    Sein Vater lenkt das Pferd dicht neben ihn.
    »Mach dir nichts draus, Junge.« Beugt sich zu ihm herab. »Sieh hinter dich. Sieh, was du alles schon geschafft hast.«
    Würde er ja gerne. Doch er kann sich nicht umdrehen.
    »So ist es immer«, sagt Samuel. »Am Anfang belächeln sie dich, aber später zollen sie dir Bewunderung.«
    Bewunderung?
    Wofür?
    Dass er seinen Zug ins Verderben geführt hat?
    Dass er mit einem Bauchschuss in einem Hohlweg liegt und langsam, aber sicher verblutet?
    »Öffne die Augen.«
     
    Also öffnet er die Augen, sieht den grellen Himmel über sich und fühlt –
    Wut.
    Weiß glühende Wut.
    Die Wut bringt ihn zurück ins Hier und Jetzt. Er rollt sich herum. Verflucht die schlampige, dilettantische, affenhirnige Planung dieses Unterfangens, die zwar nicht ihm anzulasten ist, nur dass seine Männer jetzt für das Versagen der Geheimdienste und des Oberkommandos bitter bezahlen müssen.
    Er hat es gewusst.
    Verdammt, und wie er es gewusst hat!
    Von vorneherein stand die Aktion unter keinem guten Stern. Schon, als sie losgezogen sind vom Kibbuz Hulda – zwei Uhr morgens, viel zuspät für den geplanten Überraschungsangriff. Es ist Mitte Mai, die Morgendämmerung kommt früh, und mit Gepäck und Waffen bist du eine lahme Ente. Dass sie die Ebene unterhalb der Hügel nicht vor fünf Uhr erreichen würden, stand zu erwarten, und spätestens, als es so kam, hätten sie die Sache abbrechen sollen.
    Doch du brichst nicht ab.
    Nicht, wenn David Ben Gurion höchstpersönlich zum Angriff bläst.
    Arik kriecht ein Stück vorwärts.
    Greift sich in die Seite.
    Starrt auf seine rot verschmierten Finger.
    Das Projektil hat seine Bauchdecke durchschlagen und ist am Oberschenkel wieder ausgetreten, offenbar ohne eine Arterie oder wichtige Blutgefäße zu verletzen. Andernfalls wäre er längst tot. Wenn er es recht bedenkt, kann er sich nicht mal erinnern, wann genau es ihn erwischt hat. Ist einfach nur gerannt, als die Flieger kamen, um irgendwann festzustellen, dass sie ein Loch in ihn geschossen hatten.
    Er darf jetzt nicht ohnmächtig werden.
    Keine Blackouts mehr.
    Bleib bei Bewusstsein.
    Um den rötlich braunen, stinkenden Tümpel inmitten der Mulde, in die sie es mit knapper Not geschafft haben, lagert der jämmerliche Überrest seines Zuges, vier Unverwundete und ein Dutzend Leicht- bis Schwerverletzte. Es ist sengend heiß. Wie ein riesiger Infrarotstrahler knallt ihnen

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