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einen Blick unters Bett. »Schau mal auf dem Flur nach, ob die Stationsschwester irgendwo unterwegs ist. Müsste beim Mittagessen sein.«
Zerrt die Tasche hervor, während Jehuda die Lage sondiert, öffnet sie und beginnt sich anzukleiden. Als sein Freund zurückkehrt, ist er bereits ausgehfertig.
»Kannst du überhaupt laufen? Jemand sagte, sie hätten dir auch in den Fuß geschossen.«
»Komisch, was? Davon hab ich überhaupt nichts gemerkt.«
»Du bist stundenlang mit einem Loch im Fuß herumgelaufen?«
»Sieht so aus.«
»Ich erstarre vor Ehrfurcht«, frotzelt Jehuda. »Wahrscheinlich kannst du auch übers Wasser gehen.«
Arik grinst.
»Jesus wusste einfach nur, wo die Steine lagen.«
Streicht über seinen Bauch. Gerade schmerzt die Wunde wieder, doch er muss hier raus. So vieles hat sich seit Latrun verändert. Das jüdische Viertel in Jerusalem ist gefallen, dafür hält die Verteidigung im Westen der Stadt dem jordanischen Vormarsch stand. Bei Aschdod hat Zahal die Ägypter zurückgedrängt, israelische Kampfflugzeuge bombardieren Beirut, Damaskus und Amman. Das Kriegsglück scheint sich auf ihre Seite zu schlagen, Arik will kämpfen.
»Komm. Wir gehen.«
Noch wacklig auf den Beinen, stellt er fest, als sie über den Flur schleichen. Aber schon draußen auf der Balfour Street, den Duft der Freiheit in der Nase, fühlt er einen regelrechten Energieschub.
»Was macht eigentlich deine Flamme?«, will er wissen. »Wie hieß sie noch gleich?«
»Phoebe?«
»Genau. Ist sie’s noch?«
Und wie. Das hätte Jehuda nicht gedacht. Eine Woche nach Jaffa hat es mächtig zwischen ihnen beiden gefunkt, und jetzt befürchtet er fast, mehr in sie verliebt zu sein als sie in ihn. Vielleicht macht er sich aber auch erstmals wirklich Gedanken um ein Mädchen.
»Sie spricht jeden Tag besser Hebräisch«, sagt er voller Stolz.
»Na, das ist ja mal ’ne Information«, spottet Arik.
»Ich finde das höchst bemerkenswert, und alles andere geht dich nichts an. Überleg mal, sie ist erst vor einem halben Jahr hier eingetroffen, in New York haben sie gar kein Hebräisch gesprochen.«
»Eltern schon kennengelernt?«
»Noch in den Staaten. Aber ein Teil der Familie ist hier, sie hat also Gesellschaft.«
»Jetzt auch deine.«
Ja, denkt Jehuda. Wollen hoffen, dass sie reichlich Gebrauch davon macht. Auf so angenehme Weise wie bisher.
»Und Gali?«
»Ich war so was von froh, sie wiederzusehen!« Arik lächelt. »Diese Menschen sind unsere Zukunft, Jehuda.« Sein Gesicht wird ernst. »Wir müssen alles für die Menschen dieses Landes tun, hörst du? Nie wieder werde ich jemanden zurücklassen. Wenn ich die Wahl zwischen dem Nichts und dem Schmerz habe, werde ich den Schmerz wählen, aber ich werde niemanden mehr zurücklassen, und wenn es mich umbringt.«
Sie gehen unter Baumspalieren her. Tel Aviv übt sich im Alltag, gibt sich unbeeindruckt von Tod und Gewalt.
»Keine Gnade«, verkündet Arik. »Kein Pardon mit unseren Feinden. Ich schwöre dir, ich werde mit zehnfacher Härte zurückschlagen. Jeden Angriff auf eine Weise beantworten, dass sie sich wünschen, nie nur darüber nachgedacht zu haben.«
»Und wo willst du jetzt hin?«
Arik winkt einen Wagen heran. »Zu meinem Stützpunkt natürlich.«
»Solltest du nicht vorher ein bisschen ausru –«
»Ausruhen kann ich, wenn der Krieg vorbei ist.« Arik zögert, dann drückt er Jehuda an sich. »Danke, mein Freund«, sagt er leise. »Grüß deine kleine New Yorkerin. Wünscht mir Glück.«
1953
Einheit 101
Zwei Gestalten in der Dunkelheit, gebückt, eilig.
Grenzland des jungen Israels.
Eine Spezialeinheit, lauernd, getarnt durch eine Böschung. Soldaten, die zusehen, wie das Erwartete eintritt und die beiden Gestalten von jordanisch besetztem auf israelisches Territorium wechseln.
Bilanz des arabischen Terrors bis dahin:
Besorgniserregend.
Die Vertriebenen kommen nachts über die Grenze, überfallen israelische Dörfer, töten Zivilisten, ziehen sich im Schutz der Dunkelheit zurück, und die israelische Armee ist machtlos, doch heute Nacht lässt Arik das Feuer eröffnen.
Die Gestalten brechen zusammen.
Nur zwei Frauen, die Wasser holen wollten.
Ein Versehen?
Ein Exempel.
Suchen und zerstören.
Motto der Einheit 101.
Eigentlich studiert Arik ja gerade Geschichte und nahöstliche Kultur in Jerusalem, hat Gali geheiratet, doch Ben Gurion will eine Spezialtruppe gegen den arabischen Terror ins Leben rufen. Und wer könnte die besser leiten als
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