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Dita an –«
Dita!
Schwester, wo bist du? Ein Schatten auf einem Feld.
Schöne Dita, sie hat sich verliebt in einen Doktor aus Tel Aviv und wird wohl mit ihm nach Amerika gehen, was Vera und Samuel schmerzt und Arik auch, wie kann man denn bloß wegziehen aus Israel?
Aus unserem Staat?
Kleine Geige. Spendet Trost.
Aber Dita –
»– ist besser als du, Arik. In allen Fächern. Herrgott! Was ist denn so schwer daran, ein guter Schüler zu sein? Du musst lernen, selbstständig zu werden, hörst du? Niemand wird dir helfen. Im Leben bist du auf dich allein gestellt, ich war immer allein –«
»Oh, nein, nein!« Mama schreit das Haus zusammen. »Sie haben versucht, ihn umzubringen!«
Samuel.
Zweimal sogar. Zweimal haben die Araber versucht, Samuel das Lebenslicht auszublasen, böse Zungen behaupten sogar, beim zweiten Mal seien es gar keine Araber gewesen, sondern Leute aus Kfar Malal, doch Samuel scheint unverwundbar, blickt vom Pferderücken auf Arik hinab:
»Das halten wir aus, Junge.«
Das hältst du –
»– aus, das schaffst du, Arik. Ist nicht mehr weit. Halt durch!«
Was?
»Versuch, jetzt nicht schlappzumachen.«
Moment mal. Das ist nicht Yaakov, der kann doch nicht sprechen.
Wer trägt ihn denn da?
Oh, Moshik. Sergeant Moshik Lanzet, der stellvertretende Befehlshabende. Um sie herum bekannte Gesichter. Die Reste der Kompanie. So was! Leben noch. Arik blinzelt, klammert sich an Moshiks breiten Rücken, seine Beine schleifen hinterdrein, versucht, Tritt zu fassen, schlurft neben dem Sergeant her. Sieht, dass auch Moshik verwundet ist, blutet aus einer Kopfwunde.
Der beißende Gestank von Schießpulver liegt in der Luft.
Teeriger Rauch.
Sie sind immer noch auf den Feldern.
Wir –
Fahren.
Seitenfenster. Bäume ziehen vorbei.
Wie bin ich in den Wagen gekommen?
Jemand sitzt neben ihm. Junger Rekrut. Einer der Holocaust-Überlebenden, die sie ihnen zur Verstärkung geschickt haben. War sein erster Einsatz. So jung, so weich, seine Gesichtszüge, aber in seinen Augen liegt etwas Uraltes, Einsames.
Ich weiß.
Du hast Dinge erlebt, die dich nie wieder loslassen werden. Du wirst noch schweißnass aus dem Schlaf hochfahren, wenn dieser Tag längst Geschichte ist. Deine Jugend ist auf den Feldern geblieben. Der sengende Wüstenwind hat sie mit sich davongetragen, dir deine Unschuld geraubt, und jetzt fragst du dich, wie du mit deinen Dämonen weiterleben sollst.
Du wirst, Junge. Du wirst.
Du hast gerade erst ein paar davon kennengelernt.
Tel Aviv
Über manche Besucher freut man sich besonders. Jehuda in seiner Unbekümmertheit, das ist, wie soll man sagen, als falle ein Sonnenstrahl direkt auf Ariks Bett.
Oh Mann. Wie poetisch.
Sonnenstrahl, das klingt nach alf laila wa-laila, arabische Dichtung, aber so ist es nun mal. Sobald Jehuda den Raum betritt, wird die Luft ein bisschen atembarer, scheint alles ein wenig leichter. Und Leichtigkeit kann Arik in diesen Tagen gut gebrauchen. Seit sie an ihm herumdoktern, schmort er in Selbstvorwürfen. Die sichtbaren Wunden heilen, die seelischen brechen immer wieder auf.
Nicht, dass ihn keiner besuchen käme.
Alle kommen, seine Kameraden, der Befehlshabende, die Freunde aus Kfar Malal. Gali, die Wunderbare. Vera und Dita. Samuel, der schier platzen will vor banalem Erzeugerstolz, aber natürlich schlingt Arik jedes Wort der väterlichen Anerkennung in sich hinein, ohne das befriedende Gefühl der Sättigung zu verspüren.
Vielleicht, weil sie ihm ein Loch in den Bauch geschossen haben.
Alles rutscht durch.
Andererseits ist es krude, deinen Vater berührt zu sehen, weil sie dir die Eingeweide zerfetzt haben. Wann würde Samuel sich wohl dazu durchringen zu sagen: Ich liebe dich?
Wenn sie ihn in Einzelteilen hereintrügen?
Schon eigenartig mit Samuel. Durch keine Charakterschule wäreArik lieber gegangen, doch es gab Zeiten, da hätte er all das freudig eingetauscht gegen ein bisschen Liebe. Und wahrscheinlich lieben sie ihn ja sogar, wie Jehuda nicht müde wird zu betonen (auch Gali ist davon überzeugt), nur dass weder Vera noch sein Vater ihre Gefühle je nach außen getragen haben. Dieser Mangel an Zuwendung erzeugt auf Dauer ein Loch in dir, gegen das alle Einschusslöcher der Welt ein Klacks sind, einen immerwährenden Hunger.
Wahrscheinlich der Grund, warum ich so viel fresse, denkt Arik.
Ob Samuel jetzt versöhnt ist?
Der Alte hasst die Arbeitspartei und alles damit Verbundene, es hat ihn geschmerzt, seinen Sohn bei der
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