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polemisch? Vielleicht.
Vietnam-Veteranen sahen sich nach ihrer Rückkehr alleinegelassen. Das ist in Deutschland anders. Als Soldat der Bundeswehr bist du schon vor dem Einsatz allein. Keiner bekundet öffentlich, stolz auf dich zu sein. Keiner will wirklich wissen, wie dein beschissener Alltag dort aussieht, wo sie dich hinmandatiert haben, fast 5000 Kilometer von zu Hause entfernt. Stolz auf die Armee? Nicht im Land der politisch Korrekten, von dessen Boden nie wieder bla bla bla, und so weiter und so fort –
Öffnet die Augen wieder, sieht krüppelige Bäume an sich vorbeiziehen, fahles Buschwerk, verbrannte Felder, ein Panzerwrack. Björklund schießt Fotos. Die Hauptstraßen sind gesäumt mit den rostenden Hinterlassenschaften der Sowjets. Stumme Zeugen dafür, dass in diesem Land kein Krieg und kein Frieden zu gewinnen ist.
Beschissen kann er nicht schreiben.
Zermürbend?
Das mit den Extremisten, die den Erlöser totschlagen, muss er sich auch noch auf den Rekorder sprechen. Schnell, bevor die Hitze sein Hirn so sehr durchgegart hat, dass er es wieder vergisst.
Die Kolonne fährt schneller. Solange keine Menschen am Straßenrand ihre Esel vor sich hertreiben oder sie eine Ortschaft durchqueren müssen, können sie aufdrehen. In diesem Land zwischen Moderne und Mittelalter hocken sie also, die uniformierten Brunnenbauer und Herolde der Demokratie, aufgerieben zwischen Nichtstun und Todesangst, und drehen langsam, aber sicher durch. Und genau darum wuseln Presseoffiziere wie Australian Shepherds um jeden Reporter herum, der anreist, um aus den Camps zu berichten, sorgen für seine Sicherheit, sein Wohlergehen und dafür, dass bloß keinem Gefreiten die Contenance abhandenkommt, wenn er gefragt wird, was er im Innersten empfindet. Und dass keiner der Pressetypen dabei ist, wenn eine simple Patrouillenfahrt zum Horrortrip wird.
Zu spät, denkt Hagen.
Ich war dabei. Unten in Helmand, in der Gegend um Musa Qaleh. Im klaustrophobischen ›Garten‹ der Taliban, inmitten des wuchernden Opiumdschungels. Hab das Gesicht in den Matsch gedrückt, wann immer der Schrei » RPG !« aufklang und die Granaten ranzischten. Hab gehofft, dass es nicht mich trifft, so wie jeder. Und gesehen, wie die Hoffnung starb. Was also wollt ihr vor mir verheimlichen? Dass sich die Verhältnisse hier oben dem Süden angleichen, mit jedem Tag mehr? Wer soll euch noch glauben, der Norden sei sicher, besiedelt von freundlich winkenden Afghanen, die es nicht abwarten können, dass ihnen wackere Bundeswehr-Pioniere Brunnen graben, Schulen bauen und mit den Stammesältesten Tee trinken, umlagert von frohgemut schnatternden Halbwüchsigen. Klar, so war’s mal. Während Briten und Dänen bis an die Zähne bewaffnet im Sperrfeuer der Mudschaheddin lagen, luden deutsche Feldwebel beherzt eine neue Mine im Kugelschreiber durch und schenkten ihn einem strahlenden Kind. Im Norden freute man sich über jeden Taliban, den sie da unten erledigten, aber das ist vorbei.
Lange vorbei.
Und als er gerade denkt, so kommen wir nicht weiter, wir vergeuden hier nur unsere Zeit, piepst sein Handy.
Er zieht es aus der Schutzweste.
Eine SMS . Bilal Husain.
Hagen wischt sich das Geschmier aus Schweiß und Wüstenstaub aus den Augen, lädt den Text aufs Display. Liest, worauf er seit zehn Tagen hofft:
Du bekommst Dein Interview. Alles Weitere mündlich. Bilal
»Nur ihr beide, du und Krister«, schärft Husain ihm am Telefon ein. »Keine Videokamera, keine Satellitenantenne, kein Laptop, keine Handys, klar? Sonst behalten sie euch gleich da.«
»Was ist mit Kristers kleiner Handkamera?«
»Auch die nicht. Fotoapparat und Diktafon, Schluss. Sie haben selbst ein Video produziert, das sie euch mitgeben werden. Eigens für euch gedreht! Ihr könnt stolz sein.«
Hagen weiß schon, warum die Kidnapper ihn nicht mit einer BGAM -Antenne anrücken sehen möchten. Er könnte den Satelliten dazu benutzen, ihren Standort zu bestimmen.
»Wo wechseln wir die Autos?«
»Langsam. Erst mal werdet ihr abgeholt. Der Mann heißt Afeef. Er fährt einen dunkelblauen Subaru. Fungiert als Dolmetscher und Fahrer. Eine Vertrauensperson aller Parteien. Er kennt den Weg.«
»Soweit möglich, würde ich ihn auch gerne kennen.«
»Ihr nehmt die A7 nach Kunduz-Stadt, vorbei an Mor Sheykh und Naqel. Kurz vor dem Zentrum geht es links nach Kholm, da biegt ihr ab und folgt der Straße über den Fluss, aus dem Delta heraus und –«
Mitten hinein in die Wüste.
Ins
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