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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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kehrt ihr zurück«, hat Husain Hagen erklärt. »Ihr fallt unter paschtunisches Gastrecht, Melmastya. Das Afghanyat ist für eure Gastgeber bindend. Sie würden euch sogar mit ihrem Leben verteidigen, solange ihr auf ihrem Grund und Boden weilt. Immer vorausgesetzt, ihr haltet euch an die Regeln.«
    »Und was genau sind die Regeln?«
    »Tja.« Kurzes Schweigen. »Die sind wie das Wetter.«
    »Na klasse.«
    »Hör auf, Tom. Was soll ich sagen? Du kennst doch die Regeln.«

    Jedenfalls kennt er genügend Leute, die sich nicht daran halten.
    »Seid einfach auf alles vorbereitet. Ihr werdet die Gastfreundschaft eines Stammesführers genießen, der selbst kein Talib ist, aber mit den Taliban sympathisiert. Er gewährt den Gotteskriegern und ihren Geiseln Unterschlupf.«
    »Was weißt du über den Kerl?«
    »Nichts. Das heißt, er scheint ein Experte für Sprengstoff zu sein. Mein Kontakt hat sich mal dahingehend verplappert. Schätze, seine Leute beliefern die Taliban mit IED s und Ähnlichem.«
    »Okay.«
    »Also lass dich überraschen. Entspann dich.«
    »Keine Sorge.«
    »Du hast es so gewollt.«
     
    Hat er das?
    Da sitzen sie nun.
    Hagen atmet in seine Kapuze, versucht den säuerlichen Geruch zu ignorieren. Unterhaltung dringt vom Vordersitz herüber. Lachen, entspanntes Schwatzen, konterkariert vom gequälten Brüllen eines Getriebes, das jeder Prophezeiung zum Trotz, es nicht mehr lange zu machen, noch in zehn Jahren nicht auseinandergeflogen sein wird. In der Staubhölle Afghanistans fragt niemand nach kultiviert schnurrenden Sechszylindern. Hier müssen Autos die Robustheit von Kakerlaken besitzen.
    Das Radio flutet die Kabine mit arabischem Pop.
    Was eine interessante Information birgt.
    Offenbar sind keine Taliban an Bord.
    Denn die Gotteskrieger verbieten Musik, was sie eigenartigerweise nicht daran hindert, mit Begeisterung zu singen: melancholische, aus der Zeit gefallene Gesänge, verschlungene Rezitative von eigenartig besänftigender Wirkung ohne jede Instrumentalbegleitung. Wie immer in diesem erstaunlichen Land ist die Faktenlage nicht ganz eindeutig. Mullah Mohammad Omar, das geistliche Oberhaupt der Taliban, hat Musik als Mittel zur Vergnügung untersagt, fromme Gesänge hingegen sind erlaubt, was die Frage aufwirft, ob der Fromme im Zustand des Vergnügtseins noch fromm sein kann.
    Egal. Arabischen Pop hat Omar ganz sicher nicht im Sinn gehabt.
    Ob Jung solche Dinge weiß?
    Franz Josef Jung, das Überraschungsei.
     

    Natürlich wussten die Reporter, dass er kommen würde. Im Moment, als sie in Berlin zu der Auffassung gelangten, die jüngsten Debakel erforderten den ministerialen Gang nach Canossa – ein Ort, der zunehmend in Afghanistan verortet wird –, waren sie im Bilde. Und haben den Mund gehalten, schon weil man sie andernfalls ans Kreuz genagelt hätte. Nicht mal die exzellent vernetzten Taliban können schließlich einen Anschlag auf jemanden planen, den sie nicht erwarten.
    Allerdings können sie ihn verüben, sobald er im Lande ist.
    Entsprechend schwierig geriet die Beweisführung, was deutsches Geld und deutsche Soldaten am Hindukusch alles bewirken. Das meiste dessen, was einen Besuch gelohnt hätte, durften sie Jung nicht zeigen, des hohen Risikos wegen. Am Ende schafften sie es, ihn und seine Entourage in einem Tross rollender Panzerschränke so durch die Gegend zu schaukeln, dass er später erzählen konnte, die Nordprovinzen seien sicher und nur zwölf Prozent des deutschen Verantwortungsbereichs akut bedroht. Ein Gebiet, von dem die Verantwortlichen albträumten, der Minister werde ausgerechnet dort auf eine IED fahren, da keiner zu sagen vermochte, wo genau die beschissenen zwölf Prozent eigentlich lagen. Sie waren vom Rest in etwa so einfach zu separieren wie Kondensmilch von Kaffee nach mehrmaligem Umrühren.
    Doch alles blieb ruhig.
    Am Ende gab, was Jung erblickte, ihm die Kraft, vor 600 Soldaten der Patrouille zu gedenken, die vergangene Woche südlich von Kunduz-Stadt in eine Sprengfalle geraten war. Drei Männer verletzt, einer tot. Nicht einfach, der demoralisierenden Wirkung solcher Vorfälle Herr zu werden. Der Minister gab sein Bestes. Er sagte, die Opfer hätten die Freiheit verteidigt. Die Stimmung blieb gedrückt, aber wenigstens taxierte ihn während seiner Ansprache keiner, als wolle er ihn ins Jenseits befördern. Sich bei paschtunischen Stammesführern dafür zu entschuldigen, dass deutsche und afghanische Polizisten tags darauf an einem Checkpoint die

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