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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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nicht sein kann, was nicht sein darf. Kein Israeli will sich die Frage stellen lassen, wozu ein Judenstaat nütze ist, wenn man nicht mal dort von Antisemiten verschont wird.
    Hagen liest weiter.
    Netanjahu hofft auf die IAEO , die Internationale Atomenergie-Organisation. Genauer gesagt erhofft er sich von ihren Berichten die Rechtfertigung für eine Militäraktion gegen Irans Atomanlagen, denn der Premier weiß:
    Mit der Bombe ist in einem halben Jahr zu rechnen!
    Soso, denkt Hagen.
    Das weißt du also.
    Er verwurstet sämtliche Neuigkeiten im Blitzticker und legt mit einem Kommentar nach:
    Was immer von Irans Atomprogramm zu erwarten ist (und es kann nichts Gutes sein), so wenig ist von Netanjahus Ankündigungen zu halten, die iranischen Anlagen zu bombardieren. Nicht, weil ein Volk, das unmittelbar bedroht wird, kein Recht auf Selbstverteidigung hätte. Sondern weil Netanjahu denselben schmutzigen Trick anwendet, den er bislang noch jedes Mal angewendet hat, wenn er seine Macht bedroht sah. Kommendes Jahr sind Wahlen, und wann wählt man einen Hardliner? Wenn die Angst vor äußeren Feinden derart überhandnimmt, dass man Missstände im eigenen Land, soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Spaltung, in Kauf nimmt. Also lässt Netanjahu keine Gelegenheit verstreichen, seine Landsleute in Furcht und Schrecken zu versetzen. Er schürt die Angst vor dem Krieg ebenso wie die Angst vor dem Frieden, weil er weiß, dass die Mehrheit ihn wiederwählen wird, solange sie seinen monochromen Bedrohungsszenarien Glauben schenkt. Der Welt vermittelt sich so das Bild eines Israels, das immer stärker nach rechts rückt. Doch Netanjahu ist viel zu sehr Opportunist, als dass er konsequent rechts stünde. Tatsächlich würde er auch mit den Linken koalieren, wenn er nur im Amt bliebe.
    Klick, versenden.
    Danach fällt ihm nichts Sinnvolles mehr ein, was er tun könnte bis zur Übergabe der CD s, also beschließt er, Scharon zu besuchen.
     

    »Hallo, Arik.«
    Keine Antwort. Klar.
    Scharons Blick verliert sich im Nichts. Scheint in eine Zeit jenseits aller faulen Kompromisse gerichtet, tatsächlich dürfte der einst mächtigste Mann Israels nicht mal mehr fähig sein, den Tatbestand seiner Existenz zu reflektieren, und sollte er doch etwas wahrnehmen, wird er es garantiert für sich behalten.
    Der israelische Patient gibt nichts preis.
    Er kann es nicht.
    Hagen tritt näher an den wuchtigen Körper heran. Beugt sich vor, lauscht den leise rasselnden Atemzügen, zu denen sich der breite Brustkorb in stetem Rhythmus hebt und senkt.
    Verblüffend.
    Welche Zukunft mögen die jetzt blicklosen Augen gesehen haben, bevor ihr Besitzer das Bewusstsein verlor? Der alte Mann in dem Krankenbett wirkt entspannt und stabil, wie entlastet von aller Verantwortung und Schuld. Nichts Starres, Jenseitiges haftet ihm an. Die Decke ist über den Brustkorb gezogen, die Arme liegen frei, der linke ein wenig angewinkelt. Etwas an seiner Mundstellung, die Art, wie er die Lippen schürzt, erweckt den Eindruck, als werde er gleich zu sprechen beginnen und der Welt endlich verraten, welches seine nächsten Schritte gewesen wären, über die so viel spekuliert worden ist.
    »Ich denke, dass wir die Idee, an der Besatzung festzuhalten, begraben sollten – und es ist eine Besatzung, auch wenn Ihnen das Wort nicht gefällt. 3,5 Millionen Palästinenser unter unserer Herrschaft – das ist in meinen Augen schrecklich, das kann nicht endlos so weitergehen. Wollen Sie für immer in Dschenin, Nablus, Ramallah, Bethlehem bleiben? Für immer? Ich halte das für falsch.«
    2003 vor der Knesset.
    Ratlose Gesichter, ein konsternierter Netanjahu, der nicht recht weiß, wo er hingucken soll, während sein Premier gerade eine historische Kehrtwende vollzieht.
    An diesem Tag hat Scharon seinem Volk die Wahrheit gesagt. Ihm klargemacht, dass man nicht für alle Zeit über ein anderes Volk herrschen und sein Land besetzt halten kann. Dass es besser ist, sich mit dem Erreichten zufriedenzugeben, als dem Unerreichbaren hinterherzujagen. Er wird der Wahrheit Taten folgen lassen, für die ihn die einen noch mehr lieben und die anderen noch mehr hassen werden. Und alle überraschen. Sie haben einen Krieger gewählt, doch der Krieger wandelt sich zum Friedenspragmatiker, dessen Bemühungen schon darumAussicht auf Erfolg haben, weil sie nicht mit Versöhnungsromantik belastet sind.
    »Ein Friede, bei dem das israelische Ballett in Ramallah auftritt und andersherum, das war ganz

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