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führen. Also wäre die Konsequenz gewesen, Phoebe zu verlassen, und ganz ehrlich – du bist großartig, begehrenswert, andernfalls wäre es nie so weit gekommen, aber um meine Familie aufzugeben, hat die Liebe dann doch nicht gereicht.«
Sie hebt die Brauen.
»Ich bin auch nicht in dich verliebt«, sagt sie. »Ich wollte einfach nur mit dir schlafen.«
»Und ich mit dir.«
»Es hätte ein Verhältnis werden können.«
»Tür an Tür mit meiner Frau.«
»Na und? Ohne Tiefe. Was an Tiefe fehlt, hätten wir durch Länge wettmachen können. Ohne dass sie was merkt.«
Jehuda schüttelt den Kopf.
»Du kannst hundert Typen wie mich täuschen, aber keine andere Frau. Phoebe würde es merken.«
»Jaja.« Sie lächelt in sich hinein. »Wer sein Leben genießt, wird bald von seiner Frau zur Rede gestellt.«
»Hm.«
»Ibsen. Kluger Mann. Aber es ist schön, dass es noch Treue gibt.«
Er runzelt die Stirn, spürt der flüchtigen Ironie in ihren Worten nach.
»Du findest Treue altmodisch.«
»Nein, nein! Sie ist toll. Sie rettet zwar nicht den Sex, aber wenigstens kann man noch ein paar Jahrzehnte befreundet sein.«
»Was ich sagen will, ist –«
»Was?«
»Dass es mir leidtut, dir einen falschen Eindruck vermittelt zu haben.«
»Nämlich?«
»Dich nicht anziehend genug zu finden.«
»Oh.« Sie beugt sich zu ihm vor, und er hat wieder ihren puderigen Duft in der Nase. »Da bin ich aber beruhigt.«
»Ich meine es ernst, Alison. Es tut mir leid.«
»Mir auch. Ich hab’s genauso vermasselt wie du. Mach dir mal wegen Phoebe keine Sorgen. Das Ganze bleibt unser schäbiges kleines Geheimnis.«
»Danke. Ich würde deinem Mann auch nie –«
»Wir sind seit acht Monaten geschieden.«
Aha.
»C’est la vie.« Alison hebt ihr Wasserglas. »Frieden?«
»Frieden.«
Sie schaut ihn über den Rand des Glases an, lächelt versöhnlich, aber ihr Blick sagt etwas anderes.
Wir haben einen unbefristeten Waffenstillstand geschlossen.
Frieden wird es nicht geben.
2011
Tel Aviv, 4. November
An diesem Vormittag geht Hagen Ariel Scharon besuchen.
Was soll er sonst tun?
Das Treffen mit Pini Silberman ist für den frühen Abend geplant, der Verlag hat die versprochenen 25 000 Dollar angewiesen, auf der Bank war er auch schon. Jetzt liegt das Geld sicher verwahrt im Zimmersafe und ein ganzer Tag vor ihm, den er irgendwie rumkriegen muss. Eine Stunde hat er auf dem Dizengoff-Square in der Sonne gesessen und sein Hotel angestarrt, ein schneeweißes, ehemaliges Kino im Bauhaus-Stil, vollgestopft mit alten Filmplakaten, Kinositzen und Projektoren. Sein regulärer Arbeitgeber, vorübergehend besänftigt durch den endlich fertiggestellten Syrien-Artikel, möchte wissen, was zum Teufel er in Israel verloren hat. Wo doch nebenan der schönste Bürgerkrieg im Gange ist! Will plausible Gründe hören, warum sein Korrespondent nicht aus Homs oder Damaskus berichtet, und Hagen kann ihm ja schlecht die Wahrheit sagen, dass er neuerdings die Konkurrenz bedient und nebenbei eine gepflegte Phobie gegen Kriegsgebiete entwickelt hat.
Irgendetwas muss er liefern, also checkt er die Eilmeldungen. Israelische Marines haben den Vorstoß einer internationalen Aktivistentruppe gestoppt, deren Schiffe die Gaza-Seeblockade durchbrechen wollten. Ähnlich wie vergangenes Jahr, nur ohne Tote, uninteressant.
Was noch?
Israelische Richter verdonnern einen Neonazi zu fünf Jahren Haft.
Ein Neonazi in Israel?
Hagen liest weiter. Der Typ und seine Bande sollen Hakenkreuze an Synagogen geschmiert und arabische, schwarze und schwule Israelis zusammengeschlagen haben. Und was der Sache die Krone aufsetzt:
Der Angeklagte ist Jude.
Ein jüdischer, aus Russland eingewanderter Neonazi.
Schon besser. Wie es aussieht, ist der »russische Planet« mal wieder aus der Verdunklung getreten. Israels größte Parallelgesellschaft, anderthalb Millionen Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, und viele davon mit einem satten Integrationsproblem! Wozu auch gehört, dass manche dieser russischen Jugendlichen einen ausgeprägten Rassismus pflegen. Ihre Geschichtskenntnisse mögen gegen null gehen, über Hakenkreuze wissen sie wahrscheinlich wenig mehr, als dass sie die arrivierte jüdische Gesellschaft schockieren, von der sie sich ausgegrenzt fühlen. Aber zweifellos stellen sie ein ernst zu nehmendes Problem dar. Ein Problem, um das sich der Staat zu kümmern hätte, wäre er nicht peinlich darauf bedacht, die Vorfälle unter den Teppich zu kehren.
Weil
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