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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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kürzlich fast gevögelt, aber ich hab’s dann doch vorgezogen, sie auf dem Küchentisch liegen zu lassen?
    Sein Sohn jedenfalls ist begeistert, wie sich der Rohbau Schritt für Schritt in sein neues Zuhause verwandelt. Er trägt Uniform, sieht fantastisch aus, definitiv besser als sein übernächtigter Vater, der unrasiert und verknautscht durch die Räume schleicht.
    »Hast du irgendwas?«, will Uri beim Mittagessen wissen.
    Sie sitzen vor der Strandbude, essen Falafel, trinken Coke und lassen sich die Sonne ins Genick scheinen.

    »Nein, wieso?«
    »Dachte nur. Du siehst müde aus.«
    »Wir sind hier alle ein bisschen übermüdet.«
    »Kommt ihr denn gut voran?«
    »Bestens.« Jehuda beißt ab, kaut, um Zeit zu gewinnen. »Aber es ist halt viel Arbeit, und wir wollen ja fertig sein, wenn im Sommer –«, bla bla bla, weiß genau, kann nicht ständig davonlaufen, hat gewaltigen Bammel vor der Begegnung mit Alison, die überfällig ist, auch wenn er sich unentwegt einredet, dass gar nichts passiert ist. Sie sind zu weit gegangen, aber hat er nicht rechtzeitig die Kurve gekriegt? Wäre nicht alles viel schlimmer, wenn sie tatsächlich miteinander geschlafen hätten?
    Schlimmer für ihn. Er kann sich ja so schon kaum vorstellen, Phoebe in die Augen zu schauen.
    Auch schlimmer für Alison?
    Ihr Mann werde aus Tel Aviv nachkommen, hat sie erzählt. Bis heute ist kein ehemannähnliches Wesen in Jamit aufgekreuzt. Nur Alisons Tochter mit zwei Kindern im Schlepp, die Alison Oma nannten, was grausam klang und nach einem Grund, die beiden Blagen zu hassen.
    Alison hat gelacht.
    Nachlaufen mit ihnen gespielt.
    Er fragt sich, wie sie mit dem Älterwerden zurechtkommt. Hätte bis vor Kurzem noch Eide darauf geschworen, dass es sie kaltlässt. Oder? Wer solche Gene hat, braucht nur mit den Fingern zu schnippen, und die Männer drängen sich in der Schlafzimmertür. Ohnehin erkennt man sein Alter nicht im Spiegel, sondern in den Augen der anderen, und die meiste Zeit dürfte sie dort Bewunderung und Begehren gesehen haben.
    Auch in seinen.
    Bis sie auf dem Küchentisch landeten.
    Jetzt ist er nicht mehr so sicher, was gute Gene schlussendlich nützen. Er quält sich mit Fragen, die ihm früher nie in den Sinn gekommen wären. Jeder will alt werden, denkt er, aber wollen wir es auch sein ? Wann ist man überhaupt alt? Wenn die Zahl der gelebten Jahre die noch zu erwartenden übersteigt? Wenn die Ratio mit dem Unterleib gleichzieht, gar die Oberhand gewinnt?
    Wenn dich jemand halb nackt auf einem Küchentisch liegen lässt?
    Gewissensbisse plagen ihn, andererseits, besser ein schlechtes Gewissen als gar keines. Wie viele kennt er, die ihr Gewissen als neuwertig verkaufen könnten, kaum benutzt. Vielleicht macht er sich ja um Alison viel zu viele Gedanken, und es geht weniger um ihre Probleme mit dem Älterwerden als um seine mit dem Erwachsenwerden.

    Dann, drei Tage nach Uris Besuch, stehen sie sich plötzlich gegenüber.
    In der Kantine des Gemeindezentrums.
    Tabletts in Händen.
    Wenigstens entleert sie nicht sofort die Suppenschüssel über seinen Kopf.
    Sie suchen sich einen Tisch und reden über die Arbeit, bis das Thema totgemolken ist, essen eine Weile schweigend weiter. In Jehudas Kopf herrscht Leere. Er hatte sich ein paar Formulierungen zurechtgelegt für den Moment ihres Wiedersehens, doch was ihm davon in den Sinn kommt, klingt gedrechselt und verlogen.
    Schließlich sagt er einfach: »Ich hab dich gekränkt.«
    Sie stochert in ihrem Essen rum, schaut aus dem Fenster.
    »Ja. Das hast du.«
    »Du bist wunderschön, Alison.«
    Was immer er im Licht der Küchenbeleuchtung gesehen hat oder zu sehen glaubte, sie ist es. Darum sagt er es ihr, darum klingt es ehrlich, und darum hat er immer noch keine Suppe im Gesicht.
    »Und?«
    »Ich weiß nicht.« Jetzt druckst er doch ein bisschen herum. »Ich hab die Konsequenzen gescheut. Der Fantasie schuldest du keine Erklärungen. Es musste erst passieren, um mir klarzumachen, dass es mein Leben radikal ändern würde. Was idiotisch war. Ein Dreijähriger hätte vorher gewusst, dass hinterher alles anders ist, aber na ja. Plötzlich sah ich Phoebe, Miriam, Uri, die Zukunft, die wir gemeinsam planen.« Er stockt, verknotet die Finger. »Dann sah ich euch beide. Phoebe hängt über dem Gartenzaun, um mit dir zu quatschen, während ich mich durch die Hintertür aus deinem Haus schleiche. Bei dir in der Küche hätte ein Doppelleben begonnen, Alison, und ich kann kein Doppelleben

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