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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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sicher nicht seine Sache«, wird Dov Weissglas, sein engster Vertrauter, später äußern. Er ist Scharon so nahe gewesen wie kaum ein anderer, aber was genau im Kopf des Alten vorging, kann auch er nicht sagen. Nur dass der Bulldozer wie besessen daran arbeitete, seine letzte große Vision zu verwirklichen, wie immer sie ausgesehen haben mag.
    Bis zum Abend des 4. Januar 2006.
    Als sein Verstand starb.
    Hagen sieht zu, wie Flüssigkeit aus dem Tropf in den reglosen Körper sickert. Fragt sich, was von dem alten General noch zu erwarten gewesen wäre, doch Scharon schweigt.
    Hirntot, lautet die Diagnose.
    Vielleicht nicht ganz. An manchen Tagen, wenn man ihn darum bittet, bewegt er schon mal einen Zeh.
    Der Mann in diesem Bett kann nicht mal das.
    Er ist aus Wachs.
    Eine Puppe.
     
    Ausgerechnet Wachs.
    Du warst alles, denkt Hagen, aber ganz sicher nicht wächsern und starr, und das soll von dir bleiben?
    Eine Wachsfigur?
    Eine Tafel hält Informationen bereit: Noam Braslavsky, der Künstler, der die Skulptur geschaffen hat, will einen verlorenen Vater zeigen, um den nie offen getrauert werden konnte. Ein Symbol für die Schockstarre einer ganzen Nation, die offenen Auges nichts sieht, weil sie nichts sehen will, dabei ist Israel keineswegs so erstarrt. Dafür streiten sie hier viel zu gerne. Die Galerie zum Beispiel – bestens besucht. Erwartungsgemäß zieht die Nachbildung des komatösen Premiers alle Aufmerksamkeit auf sich, so viel zum Tabuthema Scharon.
    Neben Hagen sagt eine Frau zu ihrem Begleiter: »Damals hab ich ihn gehasst. Er wollte alles kaputtmachen. Alles, woran wir geglaubt haben. Aber jetzt tut er mir nur noch leid.«
    Zwei Soldaten ein Stück weiter:
    »Scheiße, so zu enden, was?«
    »Ja, im einen Moment bist du ein Held, und dann –«
    »Zu früh gegangen.« Ein Mann zu seiner kleinen Tochter, aber eigentlich mehr zu sich selbst: »Viel zu früh.« Und als das Kind fragend zu ihm aufschaut: »Hier liegt unser Selbstbewusstsein, Rachel. Weißt du? Das Selbstbewusstsein einer ganzen Nation.«
    Nein, weiß sie nicht, woher auch, sie weiß nur, dass ihr der Typ in dem Bett unheimlich ist und sie lieber ein Eis hätte.
    Hagen schaut auf die Uhr. Halb vier.
    Um fünf sind sie verabredet.
    Er verlässt die Galerie, nimmt ein Taxi zurück zu seinem Hotel, setzt sich mit dem iPad in die Sonne und ergänzt seinen Kommentar von vorhin um eine weitere Passage:
    In nichts tritt Netanjahus Identitätslosigkeit deutlicher zutage als im Vergleich mit Ariel Scharon, Israels letztem großen Premier. Scharon hat sich mit jedem angelegt, zuletzt sogar mit sich selbst. Netanjahu will sich mit niemandem anlegen. Scharon war klar geworden, dass man sich ändern muss, um die Welt zu verändern. Netanjahu will, dass die Welt sich ändert, damit er bleiben kann, was er ist.
    Schickt den Text ab.
    Die Antwort kennt er im Voraus.
    Brillant, Tom. Super! Kannst du es jetzt bitte so formulieren, dass es auch jeder Idiot versteht?
    Er muss –
    Er muss den Deal mit Silberman über die Bühne bringen!
    Irgendetwas MUSS auf den CD s sein!
    Schaltet das iPad aus und macht sich auf den Weg zum Hilton.
     
    Björklund erwartet ihn auf seinem Zimmer, wo die Übergabe stattfinden soll.
    »Wo bist du gewesen?«
    »Alten Freund besucht.«
    »Hast du das Geld?«
    Hagen zieht den prallen Umschlag aus der Jacke, winkt einmal damit und lässt ihn wieder verschwinden.
    »Wann kommt Silberman?«
    »Gar nicht. Der gute Pini hat den Plan kurzfristig geändert. Jetzt will er uns in der Tiefgarage sehen.«
    »Ach, das ist doch lächerlich!«
    »Sag’s ihm selbst.«
    »Wofür hält er sich? Jason Bourne?«
    Nur im Kino treffen sich die Leute in Tiefgaragen.
    Björklund zuckt die Schultern.

    »Er hat gesagt, zweites Untergeschoss, rückwärtige Wand gegenüber dem Kassenhäuschen. Da soll eine Nische sein, die –«
    »Konspirativer Kokolores.«
    »Reg dich ab. In zehn Minuten ist die Sache gegessen.«
    »Ich bin die Ruhe selbst. Wegen mir können wir uns in der Wüste Negev treffen, Hauptsache, der Kerl liefert.«
    Sie fahren nach unten. Die Fahrstuhlkabine ist das reinste Spiegelkabinett. Hagen spiegelt sich in Hagen spiegelt sich in Hagen. Nirgendwo kann man hinschauen, ohne sich selbst zu begegnen.
    »Und wie war’s bei dir?«
    »Ergiebig.«
    Björklund und sein Team haben rund drei Dutzend Einzelinterviews gebraucht, um festzustellen, dass Bibi den Leuten ordentlich Angst macht. Bloß dass die meisten nicht wissen, vor wem sie mehr Schiss

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