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bekommen haben«, insistiert Cox. »Das sind mindestens 20 000, einiges liegt da noch rum. Und was bitte hatte Pini Silberman zu verkaufen? Wer würde ihm dermaßen viel Kohle geben, wenn nicht für –«
»Beweisen Sie es.«
»Darauf können Sie wetten.«
Schon weil es unsere einzige Chance ist, unbeschadet aus der Sache rauszukommen, denkt sie. Wenn wir jetzt Indizien dafür finden, dass der Junkie tatsächlich Dreck am Stecken hatte und soeben ein Deal über die Bühne gegangen ist, wird kein Hahn mehr danach krähen, ob wir ihn rechtmäßig überwacht haben oder nicht. Andernfalls steht zu befürchten, dass sie mich künftig nicht mal mehr die Ben-Gurion-Büste am Tel Aviv Airport observieren lassen.
»Na schön«, seufzt Perlman. »Fahren Sie ins Hilton. Sie sollen uns die Überwachungsbänder zeigen. Tiefgarage und den ganzen Rest. Die gerichtliche Verfügung reichen wir nach, falls sie drauf bestehen. Sie kennen ja das Zauberwort.«
Cox kennt es.
Gefahr im Verzug.
Was in diesem Fall bedeutet, dass der Staat und die Interessen seiner Bürger unmittelbar bedroht sind.
Sie wird keinen Gerichtsbeschluss brauchen.
Sie braucht vor allem Argumente.
Denn Eli Ben-Tov ist, wie schon angekündigt, alles andere als entzückt. Der Leiter des Zentralkommandos geht davon aus, dass seinen Anweisungen Folge geleistet wird, so wie er seinerseits dem Direktor Folge zu leisten hat. Seit Mai leitet ein neuer Chef die Geschicke des Schin Bet, belastet mit dem Erbe des Datenskandals und nach Monaten ergebnislosen Eiferns, Weinsteins verschollenen Downloads auf die Spur zu kommen, nicht länger bereit, an deren Existenz zu glauben.
Über ein Jahr war Perlman dahinter her. Mit der Folge, dass jeder, der verdächtigt wurde, das Material zu verstecken, die Bekanntschaft der Rose machte.
Shoshana (hebr.) = die Rose
Und die Rose schoss sich auf Silberman ein.
Nahm ihn in die Mangel.
Verhöre, Hausdurchsuchungen.
Ohne Resultat.
Eines Tages behauptete Silberman, Cox habe ihn in seiner Wohnung aufgesucht und mit dem Kopf in die Kloschüssel gehalten. Cox verwies auf Silbermans Drogenkonsum, gab zu Protokoll, wie sie ihn in der Badewanne gefunden habe, fast ertrunken, der arme Kerl, und legte ihm nahe, sich lieber für die Lebensrettung zu bedanken.
Sie war zu klug, um blaue Flecken zu hinterlassen.
Silberman war zu tough, um etwas preiszugeben.
Patt.
Danach hatte er allerdings panische Angst vor ihr, also verlegten sie sich darauf, ihn zu beschatten, bis nun letzte Woche entschieden wurde, ihn ganz von der Liste zu streichen.
Cox hat ihn gewissermaßen ohne Mandat in den Tod gejagt. Und Ben-Tov ist niemand, den ein beherztes »Ja, aber –« in irgendeiner Weise beeindruckt.
Allenfalls treibt es seinen Blutdruck in die Höhe.
Rückblick: Um 18:20 Uhr hat Silberman zwischen Gemüselaster und Cabrio die Daseinsform gewechselt. Eine Viertelstunde später ist Cox im Hilton aufgekreuzt, um die Überwachungsvideos der Tiefgarage einzusacken. Punkt 19:00 Uhr Sichtung in Perlmans Büro, zehn Minuten später zu Ben-Tov, reinen Wein einschenken, Cox erlag gar nicht erst der Versuchung, »Ja, aber« zu sagen.
Stattdessen: »Ich hab Scheiße gebaut.«
Gefolgt von: »Und recht behalten.«
Was Ben-Tov veranlasste, ihr gehobenen Tonfalls nützliche Ratschläge zuteilwerden zu lassen, und was ihr blühe, wenn sie noch ein einziges Mal seine Weisungen missachte.
Jetzt sagt Perlman: »Ich wusste davon, Eli. Und ich hab es gebilligt.«
»Sie?«, vergewissert sich Ben-Tov entgeistert.
»Ich weiß, wir hätten es absprechen sollen.«
Schwierige Lage für Ben-Tov. Er darf seinen Stellvertreter nicht vor einer Rakeset zur Sau machen, außerdem, Kirche im Dorf gelassen – sooo schlimm ist es auch wieder nicht. Klar kann jemand mit Perlmans Kompetenzen Dinge ohne Rücksprache entscheiden, und Ben-Tov kann es schon dreimal. Es geht um Grundsätzlicheres: sich aufeinander verlassen zu können. Um Loyalität, den Eckpfeiler ihrer Organisation. Es geht um den berechtigten Verdacht, dass die jüngste Direktive in Sachen Weinstein von Bibi persönlich kam, Gottes Wort also. Wer fragt da nach Kompetenzen? Wenn Bibi verfügt, dass sich ab sofort keiner mehr beim Telefonieren in den Zähnen pulen darf, dann sind die Zehn Gebote ein Ratgeber dagegen.
Perlman nimmt seine Goldrandbrille ab, bläst ein Stäubchen vom Glas und setzt sie wieder auf.
»Würde ich sagen, es war ein Fehler, Eli, müsste ich lügen.«
Ben-Tovs Blicke
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