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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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ihnen könnte das Gleiche hier passieren. Lächerlich. Nirgendwo auf der Welt leben so viele Holocaust-Überlebende wie in Israel, und nirgendwo so viele in Armut. Willst du wissen, warum?«
    Eigentlich nicht, denkt Phoebe. Ich will nur, dass wir jetzt endlich dieses Haus verlassen. Ich will, dass Jehuda draußen steht, zusammen mit Miriam.
    Ich will ein normales Leben führen.

    »Warum?«, fragt sie.
    »Weil du nicht als Überlebender der Shoa giltst, wenn du weniger als ein halbes Jahr in einem KZ und anderthalb Jahre in einem Getto warst. Ansonsten hast du keinen Anspruch auf Rente aus Reparationsabkommen, auf Entschädigung, auf irgendeine Form der Unterstützung. Gäbe es nicht die Sozialfonds und privaten Stiftungen –«
    Phoebe runzelt die Brauen. »Warum bist du dann nicht in den USA geblieben?«
    »Amerika war gut.« Sein Blick verliert sich. »Aber nicht das Land meiner Wahl. Mein Vater, meine Geschwister dachten anders. Ich wollte nach Israel. Im Moment, als ich in Haifa von Bord ging, habe ich mein Deutsch vergessen, eine Uniform angezogen und begonnen, für die Unabhängigkeit zu kämpfen. Aber ein Zionist war ich nie.«
    »Du hast eine Heimat gefunden.«
    Er stößt ein trockenes Lachen aus.
    »Ja, und jetzt werfen sie uns raus.«
    »Sie werden uns entschädigen.«
    »Glaubst du im Ernst, es ginge mir um Entschädigung? Ich habe keine Geldsorgen wie die meisten hier. Ich könnte jederzeit umziehen. Aber gibt mir das meine Würde zurück? Ich habe sogar angeboten, ägyptischer Staatsbürger zu werden. Nur um hierbleiben zu dürfen. Aber die Geschichte wiederholt sich, Sadat will den Sinai judenrein .«
    Er mag seine Muttersprache vergessen haben, aber dieses eine Wort sagt er auf Deutsch. Akzentfrei.
    »Ich weiß, mein Widerstand hier ist unsinnig, engstirnig, egoistisch.« Seufzt. »Wir haben Frieden mit Ägypten. Gut. Sehr gut. Ich werde niemals Frieden finden.«
    Und jetzt, schlaue Phoebe?
    Was kannst du zu alldem sagen, ohne es zu banalisieren?
    »Dror –« Eine Idee. Spontan, unausgereift. »Du hast doch Weihnachten erlebt in Amerika –«
    »Weihnachten?« Er hebt überrascht eine Braue. »Man konnte sich dem ja nicht entziehen.«
    »Wie sie alles vorbereiten, schmücken –«
    »Sicher.«
    »Und im Dezember kaufen sie Amaryllis –«
    »Ritterstern.« Die Andeutung eines Lächelns umspielt seine Mundwinkel. »Eigentlich heißt es Ritterstern. Amaryllis nur, wenn sie aus Südafrika kommen.«
    »Das wusste ich nicht.«

    »Ritterstern stammt aus Südamerika. Hippeastrum.«
    »Ja, ja, und natürlich dürfen die Amaryllis – Rittersterne, egal – erst unmittelbar vor dem Fest aufblühen. Das heißt, die Knollen müssen genau zum richtigen Zeitpunkt in den Handel gelangen, gar nicht so einfach, wegen der Zuchtbedingungen –«
    »Arides Klima.« Katzenbach nickt. »Das Wasser muss warm sein. Amaryllis wachsen nicht unter 14 Grad.«
    Bizarr.
    Ein Haus, umstellt.
    Scharfschützen.
    Drei betäubte Soldaten im Wohnzimmer.
    Ein Geiselnehmer, mit dem sie über Botanik fachsimpelt, während Jehuda da draußen Miriam sucht.
    »Was für ein Wahnsinnsgeschäft, Dror!«, fährt sie eifrig fort. »Jahr für Jahr führen die Amerikaner Millionen Knollen ein, und im Gazastreifen sind die Bedingungen ideal.«
    »Worauf willst du eigentlich hinaus?«
    »Nun ja, wie es aussieht, wird Jehuda auch in der neuen Siedlung wieder das Wassermanagement übernehmen, aber da entsteht halt kein zweites Jamit. Wir brauchen ein zusätzliches Einkommen, Miriam wird noch eine Reihe von Jahren bei uns wohnen, und ich kann ja nicht ständig an der Schreibmaschine sitzen.«
    »Also denkt ihr über Gewächshäuser nach.«
    »Ein paar Hunderttausend Knollen im Jahr sollten schon drin sein.« Sie lächelt. »Oder? Was meinst du?«
    Katzenbach mustert sie unter gefurchten Brauen.
    »Nur, alleine schaffen wir das nicht. – Wir brauchen jemanden, der das zusammen mit uns aufbaut – und da dachte ich an –«
    »Ja?«
    »An dich.«
    »Mich?«
    »Keiner versteht so viel von Blumen.«
    Tatsächlich stimmt nichts von dem, was sie Katzenbach da erzählt. Es ist praktisch abgemacht, dass Jehuda in Gaza für die Wasserversorgung zuständig sein wird, und damit kommen sie locker zurande. Das mit den Amaryllis hat sie irgendwo gelesen. Jemand in Südgaza, der damit experimentiert und beachtliche Erfolge erzielt.
    »Du könntest Teilhaber – ich meine, verstehst du, es wäre schon darum keine gute Idee, wenn du –« Fährt mit der Handkante

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