Breaking News
auf ihr Herz. Wie oft schlägt das Herz in der Minute? Es ist eine der Situationen, welche die Zeit stauchen und dehnen, bis sie am Ende irrelevant wird. Sobald sie diese Schwelle überschreitet, wird sie ihr vertrautes Kontinuum verlassen. Sie wird dann nicht mehr in ihrer Zeit sein, sondern in Drors.
In einem Tunnel, an dessen Ende ein gewaltiger Sog –
So plötzlich wird die Tür aufgerissen, dass sie den Halt verliert und in die schmale Diele stolpert.
Das Schloss fällt wieder zu.
Katzenbach starrt sie im Halbdämmer an, das M-16 in der Rechten.
»Hast du gar keine Angst?«
Phoebe schaut sich um. »Müsste ich denn welche haben?«
Zur Linken kann man in die Küche sehen, eine schmale Stiege führt nach oben. Alles wie immer. Vertraut. Keine gepackten Kisten, kein Bild von der Wand genommen.
»Wie oft hast du bei uns am Tisch gesessen, Dror? Wie oft auf Miriam aufgepasst? Erwartest du ernsthaft, dass ich Angst vor dir habe?«
Er schweigt.
Schlurft ihr voraus in die Küche.
Sie folgt ihm, während ihr Blick die Tür zum Wohnzimmer streift. Geschlossen. Was mag er mit den drei Soldaten gemacht haben? Katzenbachs arthritische Erscheinung täuscht, seine Reflexe sind die eines Jüngeren. Jahrzehnte der Kampferfahrung haben seine Sinne geschärft, er verfügt über beachtliche Kräfte, auch wenn der Parkinson ihm zu schaffen macht. Dann fällt ihr ein, was der Leitende ihr über die Umstände der Geiselnahme erzählt hat, und sie schnuppert argwöhnisch.
»Das Gas ist verflogen«, brummt Katzenbach, ohne sich umzudrehen. »Sie liegen da drüben und schlafen.«
Öffnet den Kühlschrank, fördert eine Flasche Eistee zutage. Nimmt zwei Gläser vom Bord und gießt ihnen ein.
»Gut verpackt«, fügt er grinsend hinzu.
Reicht Phoebe ihr Glas. Sie schaut ihn wortlos an, und sein Blick wird verlegen, schweift ab.
»Ich hab ihnen nicht wehgetan, Phoebe.«
Sie trinkt einen Schluck.
»Aber du hast es vor.«
Erst jetzt fällt ihr die offene Kiste unter dem Küchentisch auf. Kleine, glänzende Leiber, dicht an dicht. Durchaus möglich, dass das einige Tausend Schuss Munition sind. Neben der Spüle reihen sich Handgranaten aneinander, bestimmt ein Dutzend.
Na, da ist sie ja im richtigen Zimmer gelandet.
Katzenbach, mit jeder Faser Soldat.
Sie weiß, dass er getötet hat. In den großen Kriegen, in Gaza, als Arik seine Spezialkommandos dort aufräumen ließ. Dror gehörte dazu. Seine Vorliebe für Waffen grenzt an Besessenheit, zugleich hat Phoebe ihn in seinem Garten vor Augen, wie er mit Akribie Rosen züchtet und mit Miriam Halma spielt. Nie würde der Blumenzüchter jemandem Schaden zufügen.
Der eine ist nur ein liebenswürdiger alter Mann.
Der andere ist ein Killer.
Lässt sich mit Gewissheit sagen, wer davon gerade die Oberhand hat?
»Ich werde niemandem wehtun«, knurrt Katzenbach. »Sie sollen mir einfach einen der Mistkerle vorbeischicken, die für all das hier verantwortlich sind. Egal, wer kommt. Begin, Scharon.«
»Und dann?«
»Sollen sie sich verantworten.«
»Gut.« Phoebe zieht einen Stuhl heran, setzt sich. »Sie haben sichverantwortet. Arik liegt heulend vor dir auf den Knien, Begin geißelt sich den Rücken. Wie geht’s dann weiter?«
»Sie nehmen diesen Unsinn zurück.«
»Welchen Unsinn?«
»Sie lassen uns weiter hier wohnen.«
»Hm.« Phoebe dreht ihr Glas zwischen den Fingern, stellt es ab und steht wieder auf. »Schade.«
»Schade?«
»Du vergeudest unsere Zeit.«
»Augenblick.« Er zwinkert verwirrt. »Was ist los?«
»Was los ist? Du verarschst mich, das ist los. Du bist wie ein Wiederkäuer, ich will hierbleiben, hierbleiben, hierbleiben. Und wenn die komplette Knesset anrückt, wirst du nicht hierbleiben können, das weißt du genau, also was machst du dann ?«
Er verzerrt die Lippen, reißt eine der Handgranaten hoch, und Phoebe fühlt ihren Herzschlag aussetzen.
» Das mache ich!«
Ruhig, denkt sie. Ganz ruhig. Dreh jetzt nicht durch.
Du hast ihn.
»Und die da?« Zeigt hinaus auf die geschlossene Wohnzimmertür. »Was hast du für die vorgesehen?«
»Die –« Katzenbach ringt nach Worten.
»Lasse ich frei«, ergänzt Phoebe. »Sprich mir nach, Dror. Die Soldaten lasse ich frei, weil ich kein Mörder bin, weil ich Menschen, die ihre Pflicht tun, so wie ich meine getan habe, nicht umbringe, und mich selbst lasse ich laufen, weil ich kein Selbstmö –«
»Du hast doch gar keine Ahnung!«, schreit er.
»Wovon denn?«
»Verschwinde endlich!«
»Nein!
Weitere Kostenlose Bücher