Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
Situation.
    Irgendwo im Tausende Menschen umfassenden Riesenapparat des israelischen Inlandsgeheimdienstes, dem vielleicht besten Geheimdienst der Welt, haben sich Phantome eingenistet.
    Wenn das stimmt, denkt er, dann wird es hier noch richtig lustig.
    Ich stehe wenige Jahre vor der Pensionierung. Ich dachte eigentlich, ich hätte alles schon erlebt.
    So kann man sich irren.
Jerusalem
    Inga schrumpft.
    Sie läuft zwischen belustigten Soldaten auf und ab, ihr Blick ist starr und verstört. Beständig wird sie kleiner, verwandelt sich unter Gejohle in ein deformiertes, quiekendes Etwas, kaum noch als Mensch erkennbar, wird über den Hof getrieben wie eine Ratte.
    Was ist passiert?
    Hatten sie nicht eben noch Sex?
    Schweißtreibenden, guten Sex, bis Hagen begann, sie zu hart ranzunehmen, seine Finger in ihre Bauchdecke versenkte, sie der Länge nach aufriss und zerstörte.
    Aus purer Lust.
    Ihr Leib, ein Schlachtfeld. Körperteile im Raum verstreut.
    Danach ist er eine Weile im Hochland unterwegs, zusammen mit Björklund, nur dass der kein bisschen wie Björklund aussieht und die Kamera unentwegt auf ihn gerichtet hält. Inselgleich schweben Felsbrocken am Himmel, schwarzrote Wolken türmen sich übereinander, das Ganze steuert unmissverständlich auf einen Weltuntergang zu, so viel ist klar, und Hagen empfindet siedende Scham. Warum? Auf geheimnisvolle Weise scheint er an der apokalyptischen Entwicklung Schuld zu tragen, aber was hat er getan? Er kann sich an nichts erinnern. Noch während er grübelt, landet etwas Raumschiffartiges neben ihm (vielleicht auch ein gigantischer Helikopter), und eine körperlose Stimme erklärt im Tonfall eines Reiseleiters, dies sei der Moment, da der König zurückkehren werde und Hagens Arbeit an diesem Ort beendet sei.

    Und er solle schleunigst die Redaktion anrufen.
    Zurück im Camp.
    Telefoniert, doch am anderen Ende ist nur Stille.
    Inga kommt ihm in den Sinn.
    Betritt die Baracke, in der sie untergebracht waren, das brütend heiße, dämmrige Zimmer. Leer. Nichts scheint hier vorgefallen zu sein, keine Spuren eines Gemetzels.
    Ist sie tot? Oder könnte sich all das Schreckliche, das er ihr angetan hat, nur in seiner Fantasie abgespielt haben?
    Geht wieder nach draußen.
    Und erblickt sie auf dem Hof.
    Ein winselndes, auf stockartigen Extremitäten umherirrendes Spottgebilde.
    Seine Schuld.
    Alles ist seine Schuld.
    Er springt hinzu, bringt sie vor den Soldaten in Sicherheit, die im selben Moment das Interesse verlieren und sich für irgendeinen Einsatz rüsten, begleitet von pathetischer Musik. Filmmusik, genau, sie sind in einem Film, und am Himmel ist auch schon wieder allerhand los, Flugmaschinen, Raketen, fliegende Menschen, Blitz und Krawall. Also läuft er aus dem Camp in die Ebene hinaus, Inga auf dem Arm. Inzwischen ist sie kaum noch größer als eine Handpuppe, nein, sie ist eine Handpuppe und im nächsten Moment etwas vollkommen anderes mit ekelhaft vielen Beinen, sodass er es fallen lässt. Das Ding plumpst in den Sand und starrt ihn aus roten Augen an. Beginnt auf eigenartige, gedehnte Weise zu singen, mit einer Stimme, die von weit her zu kommen scheint, kriecht auf ihn zu, ohne dass er sich bewegen kann, nur jaulen wie ein Hund, laut und durchdringend –
    Fährt hoch, aufgeschreckt von seinem eigenen Geheul, während das Spinnenmonster weitersingt, mehr Sprechgesang als Melodie, und sein Herz einen unpassenden Takt dazu hämmert.
    »Verdammt«, murmelt er.
    Schwingt die Beine aus dem Bett.
    Braucht eine Weile, um sich zu orientieren. Vor ihm eine wuchtige Sitzgruppe, Holzmöbel, orientalische Teppiche. Licht, das durch einen Spalt zwischen nicht ganz zugezogenen Gardinen fällt. Sein Mund fühlt sich trocken an. Als er schluckt, ist es, als würge er Klebstoff herunter.
    Wie lange hat er nicht mehr von Inga geträumt?
    Ein Jahr?
     

    Erstaunlich, aber in den Monaten gleich nach der Katastrophe blieb er von Albträumen verschont. Als hätte er eine Firewall im Kopf. Erst später begann Inga ihn heimzusuchen, dann jedoch mit Regelmäßigkeit. Nicht selten folgte die Dramaturgie einem ähnlich surrealen Drehbuch wie jetzt, nie träumte er direkt von den Ereignissen am Berghang. Sein Hirn verschlüsselte das Thema auf vielerlei Weise, dafür verfolgte ihn tagsüber ihr Blick, als sei ihr Foto auf seine Stirn genagelt. So wie sie ihn angesehen hatte in jener Nacht im Camp Kunduz, als er ihr anbot, bei der Befreiung mit dabei zu sein. Bullshit, sie nötigte ! Sie

Weitere Kostenlose Bücher