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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Sich der Vorzüge bedienen, die es mit sich bringt, wie eine autarke kleine Redaktion zu reisen. Sein Laptop steckt voller nützlicher Programme, mit denen man Nachrichten nicht nur bearbeiten kann, viel besser noch:
    Man kann sie erfinden.
     
    Es geht leichter, als er dachte.
    Den morgigen Tag für die Feinarbeit, doch das Wesentliche ist geschafft, und es sieht gar nicht übel aus. Das Ganze ins Hebräische zu transferieren, wird die Hilfe eines Einheimischen erfordern, sprich, er wird jemanden bezahlen müssen (auch fürs Schweigen), lohnend investiertes Geld.
    Hagen zieht ein frisches Hemd an.
    Kann zufrieden sein.
    Oder?
    So zufrieden wie jemand, der die Kuh schlachtet, die er selbst für heilig erklärt hat. Vor langer Zeit in einem anderen Leben. Von dem hat er sich heute früh auf der A1 verabschiedet. Jetzt führt der Weg wieder bergauf, steinig zwar, aber wenigstens ist da ein Weg. Sinnlos, in die Vergangenheit zu blicken. Oder? Der innere Zensor hat Redeverbot, schon gar nicht darf er sich mit Begriffen wie Medienethik kommen, also tut er es auch nicht. Überhaupt, Vergangenheit, vollkommen überbewertet. Was ist Vergangenheit anderes als ein Geisteszustand? Schnittmenge aller Erinnerungen, mehrheitsfähige Version, das ist Vergangenheit. Keiner ihrer Momente beweisbar. Bloße Einbildung, ein Traum. Ändere die Gegenwart, und du schaffst eine neue Version. Mach vergessen, dass sie dich verabscheut haben, Vergessenes ist nicht passiert, Comeback nur ein anderes Wort dafür, nie weg gewesen zu sein. Bin ich erst zurückgekehrt, interessiert bald keinen mehr, von woher.
    Nur ich muss es dann noch vergessen.
    Und auch das wird irgendwann gelingen.
    Schlägt sich Rasierwasser ins Gesicht.
    Oder?

    Schluss mit Oder. Wir müssen alle sehen, wo wir bleiben. Wir sind zu Gast in einem Haus voller Träume. Gegen einen auflagenstarken Traum ist noch jede wahre Geschichte verblasst, schreib die Wahrheit um, und du erhältst die Wirklichkeit deiner Wahl.
    Der Mann im Spiegel nickt dazu.
    Er schaut noch unausgeschlafener drein als seine Entsprechung vom Vormittag, und die war schon kein Aushängeschild für Frische, dafür ist etwas verloren Geglaubtes in seinen Blick zurückgekehrt: Glanz. Augen, die nicht länger nach innen schauen, sondern Kommendes spiegeln. Auch Unsicherheit, Reste von Zweifeln, sicher. Das ist okay. Ein paar Zweifel sollte er sich bewahren, für die Zeit, wenn er wieder den schnurgeraden Weg geht. Bis dahin –
    Der Mann ihm gegenüber hat die Schultern hochgezogen.
    Hagen lässt sie fallen.
    Entspann dich.
     
    Und das American Colony ist nun wirklich eine einzige Offerte, sich zu entspannen.
    Allein der Innenhof.
    Eine Oase, überschattet von Maulbeerbäumen, mit einer murmelnden Fontäne im Zentrum, die sich gefällig in ein Hexagon voller Goldfische ergießt. Efeu rankt die Wände hinauf, auf schmiedeeisernen Stühlen sitzen gut gekleidete Menschen beim Aperitif. Als Hagen frisch rasiert und duftend dort einläuft, phosphoresziert der Himmel, Restlicht eines für November bemerkenswert warmen und sonnigen Tages, und er kann sie vor sich sehen, Winston Churchill, Lawrence von Arabien, Marc Chagall, Alec Guinness, Peter O’Toole, Bob Dylan, alle, die in diesem Hof ihre Drinks eingenommen haben, dankbar für ein wenig Stille inmitten Jerusalems dissonanter Vielstimmigkeit. Peter Ustinov hat hier einen Baum gepflanzt, John le Carré einen Roman geschrieben, Richard Gere Schutz vor weiblichen Fans gesucht.
    Die verschwiegene Eleganz des American Colony ist legendär.
    Auch weil es neutral ist. Seit über hundert Jahren hat die alte Pascharesidenz keinen jüdischen oder arabischen Besitzer mehr gehabt. Die Betreiber, Amerikaner und Europäer, waren im Verlauf einer wechselvollen Vergangenheit klug genug, sich auf niemandes Seite zu schlagen, wozu sie durchaus Gelegenheit gehabt hätten. Bis 1917 gehörten Grund und Boden zum Osmanischen Reich, wurden britisches Mandatsgebiet, fielen nach dem Zweiten Weltkrieg an Jordanien, schließlich an Israel, und selbst das ist nur die halbe Wahrheit. Die Grüne Linie – jene vielbeschworene Grenze vor ’67 – verläuft 200 Meter westlich des Hotels, womit das American Colony nach internationaler Rechtsauffassung in Palästina liegt. All dem verdankt es den Ruf einer zona aequabila , in der Araber und Israelis Geheimgespräche führen können und die internationale Diplomatie gedeiht. Mehr als einmal sind in den hiesigen Konferenzräumen aus Feinden Gegner,

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