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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Protest die Rechnung (irgendwie muss er sich schließlich für die Einladung ins American Colony revanchieren) und schlägt vor, in die Heleni HaMalka Street umzuziehen.
    Ins Hataklit.
    »Geht ihr zwei mal alleine«, sagt Lukoschik leise. »Mein alter Professor hat noch einen schweren Roten zu Hause. Er braucht meine volle Unterstützung.« Grinst entschuldigend.
    Auch das ist Hagen recht.
    Er mag Lukoschik, aber die Aussicht, nur mit Björklund einen draufzumachen, gefällt ihm besser.
    Und das Hataklit ist die perfekte Adresse, um Spaß zu haben.
    Urig, schummrig, im besten Sinne nostalgisch. Ein paar Vinyl-Freaks bringen hier ihre gigantische Plattensammlung zu Gehör, samt Knistern, Knacken und hüpfender Nadel. Aus Rahmen und Rähmchen schauen dir fünf Jahrzehnte Musikprominenz ins frisch gezapfte Goldstar, die Mädchen hinter der Theke sind freundlich und unkompliziert, die davor im Allgemeinen auch. Das Vinyl eint Generationen. Kann sein, dass Hagen einen Drink nehmen wird, EINEN (oder vielleicht lieber nicht), ganz sicher werden sie sich amüsieren, später noch ins Uganda umziehen, wo zu elektronischen Klängen Taybeh fließt, palästinensisches Bier.
    Es kommt anders.
    Im Hataklit bleiben sie hängen. Noch ist ihr wieder geknüpftes Verhältnis nicht ganz frei von Verknotungen, irgendwann werden sie den Blick in den Abgrund riskieren müssen. Hagen fürchtet die Séance, in der sie Inga heraufbeschwören, zugleich sehnt er den Moment herbei. Und natürlich wäre heute die passende Gelegenheit, doch die Entscheidung wird ihnen abgenommen. Trotz der kühlen Witterung sind Tische rausgestellt, an einem davon zwei Frauen Mitte zwanzig, ihnen gegenüber die einzigen freien Plätze.
    Man kommt ins Gespräch.
    Irina und Tonja.
    Sie führen eine Unterhaltung von der Art, bei der es um nichts geht als die Unterhaltung selbst, Themen als Transportmittel für den Flirt.Irina studiert Sozialpädagogik, Tonja stöckelt mit mäßigem Erfolg einer Modelkarriere hinterher. Ihre Familien stammen aus der Ukraine, erzählen sie, eingewandert, als beide noch Mädchen waren. Für Irinas Englisch könnte man eine glatte Eins vergeben, wäre es nicht so kantig vom Akzent ihrer Heimat, Tonja kommt nach eigenem Bekunden besser mit Hebräisch zurecht. Als Folge redet Irina mehr, zudem scheint sie über das größere Repertoire an Themen zu gebieten. Von nichts versteht sie wirklich viel, dafür von allem ein bisschen. Eine Weile fachsimpeln sie über Schallplatten, entdecken gemeinsame musikalische Vorlieben, dann kommt Hagen mit dem Frontberichterstatter raus, traditionell der Turbo im Anbahnungstalk.
    »Kriegsreporter?«, fragt Irina erwartungsgemäß fasziniert.
    »Nicht Kriegs reporter.« Björklund schüttelt den Kopf. »Vom Krieg hab ich die Schnauze voll.«
    »Schließe mich an«, sagt Hagen, und das macht es noch viel interessanter, weil darin mitschwingt, dass er alles, aber wirklich schon alles gesehen hat.
    Irina zieht an ihrer Zigarette. »Kann man jemals nicht vom Krieg die Schnauze voll haben?«
    »Im Gegenteil. Man wird süchtig.«
    »Nach Krieg?«, staunt Tonja.
    »Nach Menschen, die nicht aufgeben«, sagt Hagen. » Das ist der eigentliche Trip.«
    »Ich kann nicht –« Tonja lächelt ungläubig. »– vorstellen.«
    »Doch, kein Spruch«, nickt Björklund. »Du wirst süchtig.«
    »Und was machst du, wenn du auf den Horrortrip kommst?«, fragt Irina und leckt sich die Lippen.
    Kluges Kind, denkt Hagen.
    »Dann hast du die letzte Ausfahrt verpasst«, sagt er.
    »Genau.« Björklund kippt ein halbes Bier und stellt es ab. »Ich hab die vorletzte genommen. Mit quietschenden Reifen.«
    »Was war der Grund?«
    Schwupp, sind sie im freien Fall über Afghanistan. Stürzen den Bergen von Taloqan entgegen.
    Wird das jetzt die Therapiesitzung?
    Mit zwei angeschickerten Ukrainerinnen am Tisch, die coole Storys hören wollen?
    »Na ja –« Björklund zögert. »Es ist so: Du siehst die schrecklichsten Dinge, fährst nach Hause und denkst, das war’s jetzt aber. Guckst Fußball, gehst mit deiner Freundin essen, spielst mit den Kindern, jenachdem. Der ganze banale Scheiß. Wovon du geträumt hast, während dir alles um die Ohren flog, irgendwo in Darfur, Südossetien, im Irak. Bis dir aufgeht, dass du zwar glänzende Reportagen ablieferst, im Privaten aber der Totalversager bist. De facto gar nicht anwesend. Deine Frau moniert, der Entsafter sei kaputt, deine Tochter quält sich mit dem ersten Liebeskummer, dein Kumpel macht

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