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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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dann doch wohl die Armee. Oder?«
    »Wie man’s nimmt. Warum geht einer zur Armee?« Der Professor schaut in die Runde, als habe er drei seiner Studenten vor sich. »Früher lag es auf der Hand: Hier wir, überall Feinde. Der Konsens hieß Verteidigung. Aber Zahal ist längst keine Verteidigungsarmee mehr, sie ist eine Besatzungs- und Angriffsmacht. Was nicht alle eint. Wenn Sie heute einen israelischen Durchschnittsjugendlichen fragen, urban, säkular, halbwegs gebildet, kann er sich zum Wehrdienst tausend Alternativen vorstellen. Umgekehrt begeistern sich nationalreligiöse Jugendliche zusehends für den Dienst an der Waffe, und warum?«
    »Weil es ihnen nicht einfach um Israel geht«, sagt Lukoschik. »Sondern um das ganze Land.«
    »Eretz Israel!«, nickt der Professor. »Das Land der Bibel. Wir sind eine vielschichtige Gesellschaft. Die Welt übersieht das gern, dabei würden die meisten von uns den Spuk lieber heute als morgen beenden und die besetzten Gebiete räumen, wenn man uns nur garantierte, dass nicht gleich von allen Seiten Raketen rübergeflogen kommen.«
    »Aber genau das ist euer Dilemma«, sagt Hagen. »Ihr habt Angst vor dem Frieden. Angst vor einem zweiten Gaza.«
    »Wundert Sie das?«
    »Nicht, solange Netanjahu die Angst schürt.«
    »Inzwischen ist Zahal der größere Angstflüsterer. Schauen Sie, demografisch machen die nationalreligiösen Siedler gerade mal ein bis zwei Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Nur spiegelt die Armee dieses Verhältnis längst nicht mehr wieder. Zunehmend entstammen die Rekruten tieffrommen Siedlerkreisen. Soldaten aus dem Kernland, in der Westbank stationiert, werden von Siedlerfamilien umworben, am Sabbat zum Essen eingeladen, allmählich umgedreht –«
    Björklund schüttelt den Kopf. »Eine komplette Armee soll sich von einer religiösen Minderheit einfach so umdrehen lassen?«

    »Natürlich finden Sie auch in der Westbank siedlungskritische Soldaten, aber die bekommen den Druck der religiösen Lobby zu spüren. Immer mehr hohe Offiziere hängen nationalreligiösen Ideologien an. 2008 in Gaza sprachen Militärrabbiner vom Heiligen Krieg! Verstehen Sie? Volk und Armee sind nicht länger identisch. Zahal mag mehrheitlich säkular sein, sie wird zur Geisel der Eretz-Israel-Aktivisten, und für die ist jedes territoriale Zugeständnis an die Palästinenser gleichzusetzen mit Verrat an Gott, Frieden ergo unmöglich. Ich will niemanden ängstigen, aber einige in der Armee sehnen Armageddon durchaus herbei.«
    »Gretchenfrage.« Lukoschik füllt die Gläser nach. »Angenommen, Netanjahu würde plötzlich einen Entkopplungsplan aus dem Hut zaubern. So wie Scharon. Vollständiger Rückzug aus Judäa und Samaria –«
    »Dann wäre er vorher von Außerirdischen entführt und ausgetauscht worden«, sagt Björklund.
    »In der Tat.« Der Professor ist sichtlich amüsiert. »Das könnte nicht unser Bibi sein.«
    » Rein hypothetisch.«
    »Wozu gleich die ganze Westbank?«, kocht Hagen die Vision runter. »Sagen wir, Rückzug aus zehn, 20 Siedlungen.«
    »Gut, spielen wir’s durch: Scharon hat damals die erforderlichen Knöpfe gedrückt, und die Räumung fand statt. Mit breiter Rückendeckung. Was, wenn Bibi heute dasselbe versuchen würde? Auch er hätte die Mehrheit hinter sich. Ich bin nur nicht sicher, ob sich die Knöpfe noch drücken ließen.«
    »Heißt im Klartext?«
    Der Professor lächelt. »Sagen Sie es mir.«
    »Zahal würde ihm die Gefolgschaft verweigern?«
    »Jetzt katastrophiert ihr«, sagt Björklund. »Wir sind in Israel, nicht in der Dritten Welt.«
    »Exakt das hat Rabin auch gesagt, als man ihm nahelegte, eine kugelsichere Weste zu tragen.«
    »Sie meinen tatsächlich, die Armee würde – putschen?«
    » Die Armee gibt es nicht mehr.« Der Professor schnuppert genießerisch an seinem Barolo. »Entscheidend ist, welche Kräfte sich durchsetzen.«
    »In zwei Jahren sind Wahlen«, sagt Björklund. »Da wissen wir mehr.«
    »Würde Netanjahu abgewählt –«, sinniert Lukoschik.
    »Wird er nicht«, sagt der Professor heiter. »Bestenfalls gewinnen die Linken an Einfluss, schlimmstenfalls wird er von rechts überholt. Sooder so, die Zeit der Revolutionen ist vorüber. Wir haben es uns in der Angst gemütlich gemacht, sie ist der Konsens unserer Tage. – Le’chájim, meine Herren.«
     
    Ein Professor bleibt ein Professor. Alles sehr anregend und aufschlussreich, doch gegen elf kommt Hagen die Politik zu den Ohren heraus. Er begleicht gegen Lukoschiks

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