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verwüstetes Loch, wo sein linkes Auge war.
Was für eine Sauerei, denkt sie.
Geht weiter. Die Terrassentür steht offen, davor der nächste Tote. Rückenlage. Eine hämoglobinrote Lache arbeitet sich unter ihm hervor, aber da ist noch was an ihm –
Genauer gesagt, nicht an ihm.
Zwei Finger fehlen. Frisch amputiert.
Cox betrachtet ihn. Mit seinen langen Haaren und dem blonden Bart sieht er aus wie ein gealterter Hippie. Ein Hippie, der ihr irgendwie vertraut vorkommt. Und auch wieder nicht. Nur eine Kleinigkeit, ein unbedeutendes Detail erinnert sie an –
Wen? Was?
Blendet es aus. Geht weiter zur Badewanne und starrt auf das ertrunkene Mädchen darin.
Ihr Kopf ist zur Seite gedreht, der Mund leicht geöffnet.
In ihrem linken Nasenloch schimmert eine Luftblase.
Schimmert wie eine Perle.
Als könne man sie behutsam, mit spitzen Fingern, herausnehmen und in einer kleinen, gepolsterten Dose verstauen.
»Hinter dem Küchenblock«, ruft einer der Polizisten.
Noch ein Mädchen. Der Schuss hat das Entsetzen in ihren Augen eingefroren. Cox reißt sich los, wendet den Blick zur Sitzgruppe und sieht einen der Beamten einen abgetrennten Finger mit einer Zange in ein Tütchen verfrachten.
»Liegen lassen«, weist ihn sein Kollege zurecht. »Nichts anfassen.«
Frische Luft, schreien ihre Lungen.
Ein Gerüst versperrt den Weg, schmerzhaft rempelt er daran vorbei, schürft sich die Haut vom Ellbogen, die Schneise öffnet sich –
Fußgängerzone.
Verrammelte Geschäfte.
Weiter, scharf abbiegen, Lichter, plötzlich ist er wieder auf der Yafo mit ihren Kneipen. Hetzt zwischen Nachtschwärmern hindurch, verschnauft einen Moment, dreht sich um –
Ein Mann kommt aus der Fußgängerzone gelaufen.
Starrt zu ihm herüber, ohne Skimaske jetzt, aber kein Zweifel –
Beginnt wieder zu laufen, in die Heleni HaMalka hinein, getriebenvom Turbo seiner Angst. Immer noch sitzen sie vor dem Hataklit, keine Stunde her, dass er selbst hier –
Diashow.
Björklunds lebloser Blick.
Irina mit einem Loch in der Stirn, durch das Gehirn statt Blut dringt, bevor sie hinter den Küchenblock kippt.
Tonjas strampelnde Beine.
Wie konnte es dazu kommen? Was hat diesen jähen Einbruch von Gewalt verursacht, dass er jetzt um sein Überleben rennen muss und alle anderen tot sind?
Mit wem haben Sie gesprochen?
Wo sind die CD s?
VERDAMMTE CD s, er hat jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken, schlängelt sich zwischen geparkten Autos und Motorrädern hindurch, Pubs, Musik, Lachen bleiben zurück, Stille, bis auf das Klack, Klack, Klack –
Sie hängen immer noch an seinen Fersen.
Terrasse. Durchatmen.
Der Straßenzug pulsiert vom Licht der Einsatzfahrzeuge. Unten tragen sie den einzigen Überlebenden nach draußen, nicht vernehmungsfähig, schieben ihn auf der Trage in den Krankenwagen. Über eine Viertelstunde haben sie Hagen rund um die Shlomtsiyon HaMalka gesucht, während die Kneipen nacheinander schlossen. In geparkte Autos geschaut, gemutmaßt, er könne in einer Privatwohnung sein, aber was sollten sie tun? Das ganze Viertel aus dem Bett klingeln?
Dann, vor zehn Minuten, Polizeinotruf.
Einer im Haus gegenüber, schon im Bett gelegen, aufgestanden, in die Küche, was trinken. Sieht, wie im Loft gegenüber gekämpft wird, ein Mann zu Boden stürzt, ein anderer aufs Dach flieht, Verfolger auf den Fersen, zu dunkel, um Gesichter zu erkennen. Greift zum Hörer. Sie rasen hin, finden das hier, Beamte aufs Dach, horchen. In einiger Entfernung brechen sich Schritte an Hauswänden. Das Kommando schwärmt aus, null Peilung. Die Schritte reißen ab.
War Hagen hier?
Womöglich hat er nichts mit alledem zu tun, doch Cox’ Bauch belehrt sie eines Besseren.
(Wir haben dich mal wieder denkbar knapp verpasst.)
Er muss in der Nähe sein.
Klack, Klack, Klack –
Links. Weniger Menschen, kaum Verkehr.
Eine Kreuzung.
Die erleuchtete Leere eines Busses, Ampel auf Rot.
Hagen passt den Moment ab und spurtet los, als das Fahrzeug fast den Überweg erreicht hat, schafft es haarscharf am Kühler vorbei. Der Fahrer hupt zornig. Hagen sieht ihn hinter der Panoramascheibe seines Cockpits schimpfen und gestikulieren, aber das Manöver hat ihn den Blicken für die Dauer einiger Sekunden entzogen.
Zeit, Atem zu holen und die Möglichkeiten abzuschätzen.
Es gibt nur eine.
Die nächstbeste Straße.
Läuft hinein, einen nicht enden wollenden Gebäudeklotz entlang, könnte ein Ministerium sein, eine Schule oder ein Gefängnis,
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