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aussieht wie der Akku eines digitalen Diktiergeräts.«
»Sie haben die Route aufgezeichnet?«
»Jeden Meter.«
Ein Mundwinkel des Generals zuckt nach oben.
»Muneers Leute haben uns westlich von Kunduz aufgegabelt, auf dem Weg nach Kholm«, fährt Hagen fort. »Verwirrtaktik. Nachdem die Fahrt zusehends holpriger wurde, war mir klar, dass der Westen und der Norden ausschieden. Tatsächlich sind wir unterhalb von Kunduz, Khanabad und Taloqan den ganzen Weg zurück nach Osten gefahren. Knapp 20 Kilometer hinter Taloqan verengt sich das Tal, dort liegt ein Dorf –«
»Takafamast.«
»Bingo. Östlich davon haben wir den Taloqan River überquert und uns in die Hügel geschlagen. Muneers Anwesen kuschelt sich in den Hang eines flachen Tals. Hab’s mir vorhin auf Google Earth angesehen. Das Satellitenbild zeigt nur ein paar verwaschene Flecken, aber ich schätze, es hat die Ausmaße einer größeren Farm.«
»Deckt sich das mit Ihren Eindrücken vor Ort?«
»Männer, Frauen, Kinder, Vieh.«
Der General schweigt. Die Klimaanlage führt einen monotonen Dialog mit einer Fliege. Draußen brütet der Mittag über Kunduz.
»Wie hatten Sie sich das eigentlich gedacht?«
»Was?«
»Nun ja, Sie wollten Ihren Artikel schreiben. Dem Auswärtigen Amt das Video übergeben, das Sie von den Entführern bekommen haben. Die Bundesregierung wäre in Verhandlungen eingetreten, die Geiselnehmer hätten sich in die Berge abgesetzt, exakt die Entwicklung, die Sie auf einmal vermeiden möchten –«
»Nein.« Hagen schüttelt den Kopf. »Im Moment, als die Quetta Shura einstieg, mit Amanullahs Auftauchen, änderte sich alles. Gestern Abend habe ich entschieden, es gar nicht erst zu Verhandlungen kommen zu lassen.«
» Sie haben entschieden?«
Hagen überhört den Spott. »Mein Plan war, den Artikel irgendwann Mitte nächster Woche erscheinen zu lassen, was Ihren Leuten reichlich Gelegenheit gegeben hätte, in aller Ruhe die Geiselbefreiung vorzubereiten. Ich dachte, wir hätten mehr Zeit.«
»Sie dachten, Sie sind das Maß aller Dinge.«
»Jetzt ist Le Monde das Maß aller Dinge.«
»Und was, wenn die Bundesregierung uns was hustet? Wenn der Krisenstab auf Verhandlungen setzt?«
»Warum sollte er?«
»Warum?« Der General schnaubt. »Wer sagt Ihnen, dass Berlin einen Einsatz riskiert, bei dem deutsche Soldaten draufgehen könnten? Haben Sie mal darüber nachgedacht, dass es komplett anders laufen könnte, als Sie sich das vorstellen?«
»Hab ich.«
»Na, Hauptsache, Sie sahnen Ihre Geschichte ab.«
Die Bemerkung pfeift dicht an Hagens Ohr vorbei. Er versucht die Kluft zwischen ihnen abzuschätzen.
»Wenn der Einsatz nicht umgehend beschlossen wird, gebe ich die Koordinaten des Trackers an die französische Regierung weiter«, sagt er im Plauderton. »Degas ist ein Falke, sein Einfluss nicht zu unterschätzen. Wollen Sie Zeuge werden, wie morgen Abend eine französische Hercules in Kabul landet und hinten 50 Mann Gruppo Intervention Gendarmerie National rausfallen, die Muneers Compound knacken, während die Bundesregierung nichts unternimmt? Obwohl man doch ganz genau wusste , wo Marianne sich aufhält!«
»Hm. Verstehe.«
»Vielleicht macht sich ja auch das 33. Rep der Fremdenlegion von Korsika auf den Weg hierher. Was glauben Sie, welches Szenario würde die Kanzlerin bevorzugen?«
»Die Franzosen sind hier nicht zuständig.«
»Das wird sie kaum abhalten.«
Der General fächert seine Finger auf. Legt die Spitzen aufeinander, als schließe er Gedankenkreisläufe.
»Was genau bezwecken Sie eigentlich, Hagen?«
»Was ich bezwecke?« Hagen starrt ihn an. »Ich will, dass die drei freikommen! Dieser ganze idiotische ISAF -Einsatz hat genug Menschen das Leben gekostet. Die Taliban fordern Wiedergutmachung, okay, schicken wir ihnen George W. Bushs Kopf auf einem Silbertablett, das könnte ihnen gefallen! Aber bis dahin werden sie weiterhin Soldaten in die Luft sprengen und Geiseln nehmen, also versuche ich, wenigstens die Geiseln zu retten.«
»Mehr wollen Sie nicht?«
»Was meinen Sie?«
»Keine – hm – Schlagzeile?«
»Ich will den Pulitzerpreis, was denn sonst! Ich bin Reporter.« Er macht eine Kopfbewegung mit Blick auf die Brust seines Gegenübers. »Und Sie? Wie viel Orden passen da noch drauf?«
Der General trommelt auf die Tischplatte, greift zum Telefon.
»Bereiten Sie eine Videokonferenz mit Potsdam vor«, schnarrt er in den Hörer. »In zehn Minuten, höchste Priorität. Sie sollen das
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