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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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    »Tut mir leid für den Mistkerl.«
    Wie Legoland liegt Camp Kunduz im Mondschein. Von erwachsenen Männern aneinandergereihte Klötzchen voller Spielzeugsoldaten. Hagen sitzt auf der Veranda, nachdem sie ihn endlich haben gehen lassen, Laptop auf den Knien, hackt seinen Artikel hinein. Schaut auf. Da steht der General, zwei Dosen Bier in der Hand, reicht eine zu ihm herüber und pflanzt die Ellbogen aufs Geländer.
    »Wissen Sie noch, was Tucholsky über uns gesagt hat?«
    »Soldaten sind Mörder?«
    Der General nickt. »Man hört es nicht mehr so oft. Erstaunlich in diesen Zeiten.«
    Hagen lässt seine Dose zischen. »Ihr seid zu weit weg.«
    »Ja, vielleicht. Trotzdem, es hängt uns nach wie vor in den Klamotten. So wie es Leuten Ihrer Profession in den Klamotten hängt, dass Sie für Schlagzeilen Ihre Seele verkaufen.«
    »Die Menschen lieben Schlagzeilen.«
    »Aber sie ziehen es vor, die Motive des Überbringers infrage zu stellen anstatt ihre eigenen. Tja. Wir erreichen nichts gegen Vorurteile, also können wir sie uns ebenso gut rahmen.«
    Hagen lacht. »Mir ist das völlig wurscht.«
    »Wirklich?«
    »Meine erste Auslandsreportage war Gaza. Flüchtlingslager Dschabaliya, Ende der Achtziger. Ich war 23. Seitdem hält mich nichts mehrzu Hause, wenn irgendwo Krieg ist, die Erde bebt, Tsunamis übers Land rollen. Ich hab mich in jeder Scheiße gewälzt, glauben Sie im Ernst, ich wäre noch durch Vorurteile zu beeindrucken?«
    »Darf ich fragen, warum?«
    »Warum was?«
    »Warum tun Sie sich das an?«
    »Es ist mein Job.«
    »Sie könnten über andere Dinge berichten. Schönere Dinge.«
    Hagen lässt Bier seine Kehle hinunterlaufen. »Und Sie?«
    »Warum ich hier bin?«
    »Ja. Warum sitzen Sie nicht gemütlich in Potsdam? Warum wollen Sie zusehen, wie Soldaten ohne Beine aus einem gerösteten Spähpanzer gezogen werden?«
    »Ich will es verhindern. Das ist mein Job.«
    Insekten schicken kryptische Botschaften durch die Nacht, surrend und zirpend. Beredter als wir, denkt Hagen.
    Sie trinken, ein seltsamer Akt der Einvernehmlichkeit.
    »September ’98. Kosovo, Gornje Obrinje. Sagt Ihnen das was?«
    Der General überlegt. »Ein Massaker, glaube ich.«
    »Serbische Milizen hatten den halben Delijaj-Klan abgeschlachtet. In den Wald getrieben, erschossen, verstümmelt. Da war eine Überlebende. Haus niedergebrannt, Familie tot. Geschwister, Kinder, alle massakriert, sie selbst mehrfach vergewaltigt. Nur ihr Vater lebte noch, oder, na ja, sagen wir, irgendetwas in ihm lebte noch. Als ich sie traf, hatte sie ihn ein beträchtliches Stück getragen, zu einem der wenigen Gebäude, die nicht den Flammen zum Opfer gefallen war. Dort begann sie, ein Bett für ihn herzurichten. Wissen Sie, was ich damals dachte?«
    Der General schweigt.
    »Ich dachte, warum bringt sie sich nicht um? Wofür will sie weiterleben? Für den Alten da?« Er hält inne. Sieht sich wieder in dem schummrigen Raum, riecht den Brandgestank, der von draußen hereinsickert, verkohlte Erde, verkohltes Fleisch. Hat ihn nie ganz aus der Nase bekommen. »Aber sie versuchte tatsächlich, so etwas wie Geborgenheit herzustellen in dem elenden Schuppen. Zündete Kerzen an, weiß der Teufel, wo sie noch Kerzen gefunden hatte, und redete davon, dass es weitergehen müsse. Verstehen Sie? Sie redete vom Weitermachen! Und ich dachte, genau. Das ist es! Wie grausam das Schicksal den Menschen auch mitspielt, immer ist jemand da, der weitermacht, angetrieben von homöopathischen Resten Hoffnung und Überlebenswillen. Um den Dreckschweinen zu zeigen, ihr kriegt uns nicht klein. Ihr könnt allesniederwalzen, aber dieses winzige bisschen Würde, das uns geblieben ist, das bekommt ihr nicht. Das bekommt ihr nie!« Er sieht den General an. »Darum gehe ich an diese Orte. Weil die Bilanz jedes Mal positiv ausfällt. Es sind keine Geschichten vom Tod, die dort auf mich warten, der Tod wird schnell langweilig. Es sind Geschichten vom Leben. Und ich bin gut darin, sie zu erzählen.«
    Der General dreht seine Dose zwischen den Fingern.
    »Und wie viel sind Sie bereit, dafür zu riskieren?«
    »Alles.«
    Ein Schweigen entsteht. Nicht unangenehm. Nur, als hätten sie ihren Vorrat an Gemeinsamkeiten aufgebraucht.
    Schließlich sagt der General: »Man hat mich ermächtigt, die erforderlichen Schritte einzuleiten. Das Planungsteam der KSK ist in der Isolationsphase, das Air Force Special Operations Command mit an Bord. Eine Drohne hat Bilder von Muneers Compound geschossen, wir

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