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Politiker untergebracht, VIP s aller Couleur und Journalisten. Nur Inga logiert noch eine Spur komfortabler, im Stabsgebäude beim Regionalkommandeur. In einem richtigen, gemauerten Haus, wo sie nicht befürchten muss, unter der Dusche Gesellschaft zu bekommen.
Jetzt hängt sie auf Hagens Veranda rum. Wiegt sich in einem Südstaatenstuhl, iPod, Kopfhörer, Beine auf dem Geländer.
»Hey!«
Hat sie erspäht.
Springt auf, winkt wie verrückt.
Hagen stoppt und verstellt Björklund den Weg.
»Hör zu, die Nummer ist gelaufen, klar? Die Quetta Shura hängt mit drin, aber das kann uns gleich sein. Ich hatte ohnehin nicht vor, es zu Verhandlungen kommen zu lassen. Schon gar nicht nach Amanullahs Auftritt gestern Abend.«
»Was?« Björklund wirkt verdattert. »Das heißt, du bist meiner Meinung?«
»Nein. Der Artikel erscheint. In, sagen wir, einer Woche. So lange haben die Geiseln nichts zu befürchten.«
»Versteh ich nicht.«
»Und noch während er erscheint, werden sie schon rausgehauen.«
»Rausgehauen?«
Inga tritt zu ihnen, das Kinn in munterer Arroganz erhoben.
»Hey.«
»Hey.«
»Ich hab was für euch.«
Kein Na, wieder da, geht’s euch gut, wie war’s?. Nie kommentiert Inga das Offensichtliche. Augenscheinlich sind sie wohlbehalten zurück, und was sie nicht sieht, wird Hagen ihr erzählen. Ihm gefällt das. Spricht für eine gewisse Reife, auch wenn Björklund anderer Meinung ist und sie schlicht mangelnder Empathie verdächtigt.
»Während ihr beide fort wart, hab ich mich ein bisschen mit Heal Afghanistan beschäftigt. Überraschung.«
Sie dehnt den Augenblick, was wiederum kindisch ist. Hagen überlegt. Gibt es etwas über die Gruppe, das sie noch nicht wissen? Junge Leute mit elterlichem Geld im Rücken, aufgewachsen und wohnhaft in Aachen, wo sie an der Uni abhängen. Marianne Degas stammt aus Paris und ist der Liebe wegen nach Deutschland gekommen. Walid Bakhtari zählt nicht. Er gehört nicht wirklich zu Heal Afghanistan, sondern verdient sein Geld als Fahrer und Dolmetscher für alle möglichen Gruppen und Institutionen.
»Und?«, ermuntert sie Hagen. »Willst du’s mir heute noch verraten?«
Sie spreizt die Finger. »Marianne Degas ist die Nichte von Philippe Degas.«
Philippe Degas –
Hagen durchforstet seinen Datenspeicher. Da regt sich was. Degas, Staatssekretär im Ruhestand.
Und zwar während der Amtszeit von –
Ach du Schande.
Klar, Degas! Hohes Tier im französischen Verteidigungsministerium. Ein Falke. Hat Michèle Alliot-Marie zugearbeitet, bis diese im Frühjahr 2007 das Ressort wechselte. Auch heute noch taucht Degas’ Name mit schöner Regelmäßigkeit auf, wenn es um die Planung und Durchführung militärischer Operationen geht.
»Der Alte hat schon vor Wochen beim Auswärtigen Amt gecheckt, was Sache ist«, sagt Inga mit ihrer MTV -Stimme. »Gleich nachdem Marianne verschwunden war. Seitdem geht er ihnen dreimal täglich auf den Zeiger, aber was sollen sie ihm groß sagen? Sie wissen ja nichts, ganz im Gegensatz zu uns.« Sie baut eine erneute Spannungspause ein. »Dafür hat Le Monde gestern einen Bericht gebracht.«
»Wie bitte?« Hagen starrt sie an.
»Ja. Sie haben’s recherchiert. Titelseite. Oh Mann, Degas ist vielleicht sauer! Spuckt Gift und Galle. Droht mit Klage. Wollte die Berichterstattung um jeden Preis vermeiden.«
Natürlich. Um etwaige Entführer nicht auf Ideen zu bringen.
Unfassbar.
Während er und Björklund auf Amanullahs Schoß saßen, um die kleine Luschentruppe Heal Afghanistan für die Medien aufzupäppeln, hat Le Monde es über Nacht getan. Und ihm damit das Heft der Berichterstattung aus der Hand genommen. Ziemlich genau jetzt dürfte die Story nach Deutschland rüberschwappen. Natürlich interessiert sich dort keiner sonderlich über den Verbleib einer Französin, wenn sie nicht gerade Carla Bruni heißt, aber der Vorstoß von Le Monde wird einen unliebsamen Nebeneffekt haben: Amanullah könnte zu dem Schluss gelangen, dass er Hagen nicht mehr braucht.
Wir haben eine französische Politikertochter eingesackt?
Allahu akbar!
Verhandeln wir doch gleich mit den Franzosen!
»Das ist nicht gut für das Mädchen.« Björklund schüttelt sorgenvoll den Kopf. »Gar nicht gut.«
»Och«, sagt Inga. »Wie man’s nimmt. Bis jetzt war sie ein Niemand. Ein Niemand wird schon mal gern abgeknallt, wenn die Stimmung gereizt ist und keiner Bock auf den anderen hat. Jetzt ist sie ein Jemand .«
Sie schaut Hagen an, registriert seinen
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