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das bringt nicht viel.
Auf dem Stützpunkt registrieren sie seine Wesensveränderung. Er funktioniert, allerdings eher wie eine fehlprogrammierte Maschine – mal im Leerlauf, völlig apathisch, mal kurz vor dem Heißlaufen, sodass er bei seinen Vorgesetzten Ängste vor einer Kurzschlussreaktion schürt. Sie verlangen, dass er zum Militärpsychologen geht, aber Uri schämt sich, will nicht zum Psychologen, denn das käme dem Eingeständnis gleich, nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben.
Sie drohen ihm mit der Suspendierung.
Er weigert sich.
Also geht Phoebe zum Psychologen.
Telefoniert mit der Betreuungsstelle des Negev-Stützpunktes und vereinbart einen Termin. Sie wird einiges an Argumenten in die Waagschale werfen müssen, um Uri von einer Therapie zu überzeugen, alle bisherigen Vorstöße hat er mit der Bemerkung quittiert, sie selbst hätte nach Katzenbachs Tod eher auf die Couch gehört als er jetzt, zugleich spürt sie, wie zerrissen er in der Sache ist. Seine Scham wetteifert mit seinem Bedürfnis nach Hilfe, also hat Phoebe beschlossen, die Dinge für ihn in die Hand zu nehmen. Im klimatisierten Büro des Militärpsychologen erzählt sie, was sie weiß und zu wissen glaubt, und während sie sich reden hört, ist ihr, als liefere sie eine präzise Beschreibung von Edvard Munchs Schrei.
»Was meinen Sie? Kommt Ihnen das bekannt vor?«
»Natürlich.«
»Oh, gut!«, ruft sie erleichtert. »Was ist sein Problem? Woran leidet er?«
» PTBS .«
»Nie gehört.«
»Posttraumatische Belastungsstörung. Neuer Begriff, alter Hut. Im Ersten Weltkrieg nannte man es bomb-shell disease. Bei den Deutschen hießen solche Leute Kriegszitterer.«
»Das klingt beschissen.«
»Ja, nach verschrecktem Kaninchen. Im Zweiten Weltkrieg versuchte man es positiver auszudrücken. Bomb happiness .« Der Psychologe lacht. »Auch nett, was?«
Phoebe schüttelt nachdenklich den Kopf.
»Ich glaube nicht, dass Uri Angst vor Waffen hat. Er ängstigt sich vor Bildern. Szenen, die ihn verfolgen.«
»Hat er Ihnen davon erzählt?«
»Er redet nicht darüber. Aber es muss in Beirut passiert sein. Etwas so Grauenvolles, dass es ihn nicht mehr loslässt.«
»Klingt nach dissoziativer Störung.«
»Nach – was?«
»Sekündlich nehmen wir eine Unzahl von Reizen auf, die wir als eine Art Film erleben, homogen und chronologisch. Tatsächlich sind Homogenität und Chronologie eine Illusion. Erst unser Hirn verschmilzt die Teileindrücke zu einem Ganzen. Das macht es hervorragend, aber manchmal passiert etwas Merkwürdiges. Ein Eindruck verweigert sich jeder zeitlichen und inhaltlichen Einordnung. Man nennt das Dissoziation. Was immer Uri erlebt hat, konnte sein Hirn nicht in den laufenden Film einarbeiten, also verblassen diese Szenen auch nicht mit der Zeit. Sie stechen auf verstörende Weise heraus und quälen ihn. Je mehr er sich bemüht, sie zu vergessen, desto stärker drängen sie in den Vordergrund.«
Das klingt schon wieder so, dass Phoebe der Mut sinkt.
»Wie kann er sie dann je vergessen?«
»Er kann lernen, damit zu leben, Frau Kahn. Schicken Sie ihn her.«
Uri reagiert sauer, das war zu erwarten. Wenn schon sein soziales Umfeld in Elei Sinai den Bach runtergeht, will er sich wenigstens in der Armee das Gefühl erhalten, gebraucht zu werden. Die geregelten Abläufe dort erzeugen die Illusion von Normalität, nichts fürchtet er mehr, als vor einem Hauptmann, und wenn der tausend Psychologiediplome an der Wand hängen hat, seine seelische Invalidität zu offenbaren.
Phoebe macht ihm klar, dass er kurz davor steht, beurlaubt zu werden, und dann hat es sich sowieso mit Normalität. Das endlich führt Uri seine Alternativlosigkeit vor Augen, also findet er sich widerstrebend zur Therapiesitzung ein.
Wo er zu seinem Erstaunen feststellt, wie leicht es ihm fällt, die Wahnsinnige in dem zerstörten Haus und das, was sie im Arm hielt, heraufzubeschwören.
Der Psychologe nickt, als sei er dabei gewesen.
»Diese Szene also bedrängt Sie?«
»Ja.«
»Dann hören Sie auf, dagegen anzukämpfen.«
»Wie soll ich denn sonst damit fertigwerden?«
»Sie können nur gegen etwas kämpfen, das von außen kommt.«
»So war’s ja auch.«
»Eben. So war’s. Die Vorgänge im Flüchtlingslager sind Geschichte.Die Frau sitzt da nicht mehr. Würden Sie hinfahren, es sähe komplett anders aus. Wer also produziert die Bilder jetzt?«
»Mein Kopf.«
»Das heißt, Sie kämpfen gegen sich selbst.«
Uri schweigt.
»Ein
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