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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Muslimen nämlich ist das Stück Mauer ebenso heilig. Hier, lehrt der Koran, habe Mohammed sein Pferd angebunden, bevor er zu seiner nächtlichen Himmelfahrt aufgebrochen sei, außerdem reklamieren sie das Aufsichtsrecht über den Tempelberg. Etwaige Besitzansprüche der Zionisten verbitten sie sich, nicht ein Atom der heiligen Stätten dürfe einem Gläubigen gehören, gleich welcher Konfession. Beten, gern. Juden an der Mauer, Muslime in der Moschee.
    Aber NICHT besitzen.
    Was das mit der spanischen Wand zu tun habe, wollen herbeigeeilte Rabbiner wissen.
    Das sei keine Wand, das sei eine Baumaßnahme.
    Wie? Seid ihr meschugge ? Dieses windschiefe Gestell?
    Ganz genau, das habt ihr aufgestellt, um den Ort nachhaltig zu verändern, der Mauer in den Stand einer Synagoge zu verhelfen, mit der Absicht, euch über kurz oder lang den kompletten Tempelberg unter den Nagel zu reißen.
    Nebbich!
    Diebe!
    Wenn je eine spanische Wand Geschichte geschrieben hat, dann diese. Das Ding wird zum Politikum, zerrt an den ohnehin bloßliegenden Nerven, schürt die Angst der Muslime, von den Zionisten und britischen Mandatoren ihrer Besitztümer beraubt und aus dem Land gejagt zu werden. Ist nicht allgemein bekannt, warum die Juden hier beten? Sie verzehren sich nach der Ankunft ihres Messias. Zwei prachtvolleMoscheen krönen den Tempelberg, al-Aqsa-Moschee und Felsendom, doch mit Ankunft des jüdischen Messias werden sie dem Dritten Tempel zu weichen haben. Sie treten unsere religiösen Gefühle mit Füßen, scheren sich einen Dreck um die Balfour-Deklaration –
     
    »Mama?«
    »Schschsch!«
    Rachel wagt kaum zu atmen.
    Selbst die Tiere sind wie erstarrt.
    Jedes Gefühl ist ihr abhandengekommen, wie lange sie schon im Backofen dieser Augustnacht kauern, dem Odor von Heu und Kuhscheiße ausgesetzt. Stunden müssen vergangen sein, fast meint sie durch die Dachritzen Morgenlicht auszumachen, eine kaum merkliche Aufhellung der Nacht. Tröstlich, den Tagesanbruch zu erleben – wäre da nicht das Knirschen der Schritte vor dem Stall.
    Leise, verstohlen.
    »Sie kommen«, flüstert Vera.
    Rachel schaut auf ihre beiden Kinder herab.
    Irgendwann sind sie ihr zu schwer geworden, also hat sie Jehuda und Benjamin auf Stroh gebettet. Ihre Rechte umklammert den Griff der Heugabel, die am Pfosten neben ihr lehnt. Ganz unbewaffnet sind sie hier drin nicht, die Männer haben ihnen eine museumsreife Schrotflinte und eine Pistole dagelassen, zwei halbwüchsige Bengel sollen sie damit verteidigen. Ein Hoch auf die gute Absicht. Augenblicklich machen die beiden eher den Eindruck, als würden sie sich vor lauter Händezittern die eigenen Zehen wegschießen. Gut, dass ein paar Forken, Spitzhacken und Schaufeln das Verteidigungsarsenal bereichern. Mit einer Heugabel kannst du jemanden aufspießen, ihm mit der Schaufel den Schädel eindreschen.
    Sofern er nicht schneller ist und dir den Schädel eindrischt.
    Oder noch Schlimmeres tut.
    Wie in Hebron.
    Rachel erschaudert.
    Sie selbst hat keinen Blick in die Häuser geworfen, doch die Schilderungen sind als grausiges Panorama auf ihrer Großhirnrinde verewigt. Wände, von denen es herabrinnt, als hätte ein irrsinniger Maler Hektoliter Farbe verspritzt. Die Dielen glitschig von dunklen Spiegeln, die Teppiche nass und verklebt, das Mobiliar überkrustet, wo der Gerinnungsprozess eingesetzt hat, Leichen und Sterbende unterschiedslos übereinandergehäuft. Ähnliches in den Straßen, Hauseingängen,Durchfahrten, Geschäften. Wo immer Juden gewohnt, gearbeitet, gebetet haben, Seite an Seite mit ihren arabischen Nachbarn, das gleiche Bild, und man kann noch von Glück sagen, wenn einer einfach erschossen wurde. Die meisten hat der Mob gesteinigt, erschlagen, erdrosselt, erstochen, bei lebendigem Leibe verbrannt.
    Kinder geköpft, Männer kastriert.
    Frauen mit Dolchen geschändet.
    Alte und Junge zu Tode gefoltert, dass ihr Anblick kaum zu ertragen ist. Ihnen Finger und Hände abgeschnitten, die Augen ausgestochen, die Zungen herausgerissen.
    Hebron, die alte, heilige Stadt.
    Versunken in einem Meer von Blut.
    Rachel sieht all das vor ihrem geistigen Auge. Gedärme winden sich aus aufgeschlitzten Leibern, Knochen liegen bloß, auf den Gesichtern der Ermordeten eingefrorenes Staunen, wie es so weit kommen konnte, war nicht über Jahrhunderte aus Koexistenz Vertrauen und aus Vertrauen Freundschaft geworden?
    Jetzt lebt kein Jude mehr in Hebron. 67 von ihnen sind ums Leben gekommen, die übrigen geflohen, am Morgen

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