Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
des 24. August 1929.
    Zwei Tage her.
    Und auch in Jerusalem hat der Mob gewütet, wie ein Virus greift die Raserei aufs Land über. Konvois Bewaffneter fallen in jüdische Dörfer und Gehöfte ein, blind vor Hass machen sich die Araber über die Bewohner her, alleine in Motza ist ihnen eine komplette Familie zum Opfer gefallen, Vater, Mutter, drei Kinder und Freunde, die das Pech hatten, sich dort aufzuhalten. Der schaurige Höhepunkt einer Welle von Unruhen, die ihren Anfang nahmen –
    Ja, wann?
    Vergangenes Jahr, sinniert Rachel im Zwielicht, keine zehn Monate nach unserer Ankunft. Mit dem lächerlichen Streit um diesen Paravent. Im Januar sind wir von Bord gegangen, im September wurde Feuer an die Lunte gelegt.
    Ein Paravent!
    Nun, Historiker lieben Anfänge.
    Aber ein Paravent?
    Hat es nicht viel eher angefangen –
     
    Mit einer Frage: Was macht aus einem Juden einen Juden?
    Gene?
    Glaube?

    Das Schicksal immerwährender Verfolgung?
    Ein Buch, das man gemeinsam im Schrank stehen hat, der regelmäßige oder sporadische Besuch einer Synagoge?
    Bar-Mizwa?
    Jakobs Viertgeborener?
    Ein Käppchen?
    Gibt es überhaupt ein verbindendes, identitätsstiftendes Merkmal, das nicht nur im Hirn, sondern auch im Herzen siedelt?
    1897, auf dem ersten Zionistenkongress kurz vor dem Fin de Siècle, erfolgt die Antwort: Der Zionismus erstrebt die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina für diejenigen Juden, die sich nicht anderswo assimilieren können oder wollen. Was man lustvoller hätte ausdrücken können, aber genau dort scheint sie zu liegen, die zusehends ins Mythische abgeglittene Identität.
    In einem handfesten Nationalstaat.
    Doch fürs Erste ist Palästina nichts, was die Parteien eint.
    Palästina spaltet.
    Manch europäischer Jude verspürt nämlich nicht die geringste Lust, am Kettenstrang der Geschichte in eine Wüste voll renitenter Araber gezerrt zu werden. Inzwischen hat man Rechte, betrachtet sich als gleichgestellt, durchwirkt Europas Bürgertum, wie man von ihm durchwirkt wird, heiratet ohne Rücksicht auf Konfession und Glaube, überhaupt, religiös?
    Muss man nicht sein.
    Das kompliziert die Sache. Gleichschaltung im Glauben eint über Lichtjahre und Abgründe hinweg, aber Zeit ist vergangen, wir befinden uns mitten in den GOOOOLDENEN Zwanzigern, man tanzt auf schillerndem Parkett, wie Seifenblasen eben schillern, Party auf Pump, egal, alle liegen sich in den Armen, auch, weil sie nicht mehr gerade stehen können, Tee mit Schuss und nachts die Sau rauslassen, sieben Tage die Woche, selbst wer solide lebt, wird von der trunkenen Stimmung hinweggetragen, deren verlässlichster Ausdruck ihr völliger Mangel an Spiritualität ist, allerdings auch ihr taumelnd machender Ausstoß an Kreativität, eine kulturelle Blitzblüte, ein Triumph der Atheisten.
    Viele Juden in Europa, die schon vor der Party säkular waren, werden jetzt noch säkularer.
    Zion?
    Später.
    Dabei sind sie sich im Kern einig, jene, die nach Palästina, und jene,die nicht nach Palästina wollen: dass das Projekt Judenstaat keine religiöse Haltung erfordert, ganz im Gegenteil. Es geht um eine Zuflucht für ein Volk, das über Jahrhunderte hinweg Repressalien ausgesetzt war. Um einen sicheren Ort, von dem die einen meinen, dass sie ihn bald dringend nötig haben werden, und die anderen nicht, und vor allem geht es um Identität.
    Denn wenn Religion als identitätsstiftende Größe ausfällt –
    Was hält die Juden auf der Welt dann noch zusammen?
    Kann man überhaupt ein Volk sein ohne Staat?
    Wohin man schaut, gerät Gott aus der Mode, Juden heiraten Christen heiraten Juden heiraten Christen, Bräuche, Traditionen werden aufgeweicht, weit und breit kein Grund und Boden, auf dem man stehen und sagen kann:
    Das – ist – meine –
    IDENTITÄT !
    Mussten die zionistischen Vordenker nicht zwangsläufig zu dem Schluss gelangen, dass selbst die naiv utopische Vorstellung einer Welt, in der sich Christen, Juden und Muslime in den Armen liegen und jeder jeden glücklich werden lässt, mangels eigener Nationalstaatlichkeit über kurz oder lang zum Verschwinden des Judentums führen würde?
    Nein, ein Judenstaat war ganz und gar kein religiöses Erfordernis.
    Er war ein weltliches Projekt.
    Heimat für das Volk der Juden. Rettungsversuch eines in Auflösung begriffenen Wir. Höchste Eisenbahn in den Augen derer, die heraufdämmern sahen, was in der Euphorie der Zwanziger runtergeredet wurde.
    Dass die Party böse

Weitere Kostenlose Bücher