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überschlägt sich und bleibt regungslos liegen.
Jede Ordnung bricht zusammen.
In Panik streben die Flüchtenden zum Tor, rennen einander über den Haufen beim Versuch, nach draußen zu gelangen. Am Brunnen steigt Rauch auf. Hagens Blicke sind überall: die Soldaten auf ihrem Weg zu den Ställen, paschtunische Kämpfer vor sich hertreibend. Björklund, der in den Felsen hängt, in stoischer Ruhe fotografiert.
Inga weiter unten.
Sehr weit unten!
Keine zehn Meter über dem Höhleneingang, schätzt sie.
Ein Stück entfernt ist der Weg zu sehen, der vom Compound hoch zur Grotte führt. Sieht man von den Blessuren ab, könnte ihre Position kaum besser sein. So nah dran, und zugleich hoch genug, um den Überblick zu behalten. Ihre Nerven sind aufgepeitscht, ihre Angst ist fiebriger Euphorie gewichen. Wie viel besser sie Hagen in diesem Moment versteht! Das ist es, wovon er immer gesprochen hat, wenn man Teil des Ganzen wird, damit verwächst. So also fühlt sich das an.
Abgefahren!
Sie zoomt, gierig auf Bilder.
Holt die Ställe heran.
Erfasst eine Gruppe Bewaffneter, Paschtunen, manche barhäuptig, andere mit Turbanen, vielleicht Taliban, die den heranstürmenden Soldaten den Weg abzuschneiden versuchen.
Nicht gut, denkt sie.
Meine Schuld.
Ohne mich wäre der Überraschungseffekt aufseiten der Zugriffteams gewesen, und sie müssten sich jetzt nicht zu den Geiseln durchkämpfen, sondern wären längst dort. Hastig justiert sie das Objektiv, während zwei Afghanen plötzlich umfallen und ihre Kalaschnikows von sich werfen, als hätten sie keine Lust mehr, mitzuspielen. Inga weiß, dass sie tot sind. Die anderen spritzen auseinander, gehen in Deckung.
Wie besessen filmt sie weiter.
Hagen sieht das Unglück kommen.
Hinter einem niedrigen Wall seitlich des Haupthauses schnellt der zweite Panzerfaustschütze hoch wie ein Springteufel, richtet den Finger seiner RPG auf den Apache, der das Dach des Nebengebäudes pulverisiert hat und nun Hunderte Schuss Munition aus der Bordkanonespuckt, um die Afghanen weiter oberhalb daran zu hindern, zu den Ställen vorzudringen.
Drückt ab.
Trifft.
In einer dunkelroten Wolke fliegt der Heckrotor des Helikopters auseinander. Die Maschine sackt weg, die Geschossgarben wandern den Weg und den Hang hinauf, bahnen sich ihren Weg vorbei an Inga, sprengen den Fels auseinander, reißen faustgroße Brocken heraus, die wie Schrapnellsplitter umherschießen.
Sie zieht den Kopf ein, schlägt die Arme vors Gesicht.
Blackout.
Etwas hat sie am Kopf getroffen.
Die Handycam entgleitet ihr. Während sie noch danach fingert, streift ein weiteres Felsgeschoss ihre Schulter und reißt sie herum. Sie taumelt, versucht sich abzustützen –
Strauchelt –
Hagen sieht sie fallen.
Unten haben es drei Paschtunen in den Stall geschafft, zerren Degas, Keller und Bakhtari daraus hervor.
Er achtet nicht auf sie.
»Inga!«
Abwärts.
Panisch versucht sie sich festzuhalten, abzustützen, spreizt Arme und Beine, reißt sich die Handflächen blutig, doch diesmal bremst nichts ihren Sturz. Das Unterste kehrt sich zuoberst, als sie über die Felskante kippt, durch die bloße Luft fliegt, ein fast wohliges Gefühl der Schwerelosigkeit nach all den Knüffen und Stößen, die sie hat erdulden müssen, doch es währt nicht lange.
Der Aufprall ist umso härter.
Sie hört ihren Arm brechen, schreit laut auf.
Rollt auf den Rücken.
»Inga!«
Über den Feldern bringt der getroffene Helikopter eine veritable Bruchlandung zustande, doch Hagen hat keinen Blick dafür. Wie von Sinnen schlittert er den Hang hinunter, ohne Plan, ohne die geringste Vorstellung, wie er ihr helfen soll.
Ohne Waffen.
Du wirst erschossen werden.
Du kannst ihr nicht helfen.
»Tom!«
Da, Björklund. Hat aufgehört zu fotografieren, hangelt sich zu ihm hinüber.
»Wir müssen ihr helfen!«, schreit Hagen. »Wir müssen Inga helfen!«
»Ich komme!«
Der Schmerz raubt ihr beinahe die Besinnung.
Unter Stöhnen stützt sie sich auf den gesunden Arm, rappelt sich hoch. Kalter Schweiß bricht ihr aus. Von den Ställen sieht sie ein Menschenknäuel mit grotesken Bewegungen auf sie zukommen, ein Wirrwarr aus Gliedmaßen und Waffen.
Versucht, die Eindrücke zu ordnen.
Alles ist dunkler als zuvor, etwas tropft in ihre Augen. Sie wischt es weg. Blut klebt an ihren Fingern, schwarz wie Teer, dann wird ihr klar, dass sie die Nachtsichtbrille verloren hat.
Sie schaut hinter sich und erblickt einen
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