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Brüten. »Als Jehuda seinen Ekel bezwungen und ihn nach so vielen Jahren angerufen hat, weil er sah, dass ich krank war, unendliche Überwindung muss ihn dieser Anruf gekostet haben, glaubt ihr, es hätte Arik in irgendeiner Weise interessiert? Der hat doch nur gelacht.«
(Wenn du wüsstest!)
»Tja.« Phoebe wischt sich den Mund sauber und steht auf. »Ich hoffe bloß, dass er krepiert.«
Yael fährt nach Hause, holt die Kiste mit den alten Fotos hervor und verteilt sie auf dem Fußboden. Bilder aus Jamit. Jehuda und Phoebe. Eine Phoebe, die breit in die Kamera lacht. Elei Sinai. Bilder, auf denen ihr Vater zu sehen ist, ihre schöne, herzlose Mutter, das Rabenaas, noch ein Bild von Uri zusammen mit drei ausgelassenen Kerlen auf dem Rohr eines Merkavas, Arme weit von sich gestreckt, die Welt gehört uns.
Uris gutmütiges Gesicht verschwimmt.
Yael heult, während der Regen draußen die Stadt auslöscht. Sie hat so viel verloren, zuletzt sich selbst. Sie weiß nicht mehr, wer sie ist.
Beschwört ihre Dämonen.
Und die Dämonen kommen.
Während der nächsten drei Tage hat sie sich unter kalter Kontrolle. Schimon erklärt ihr mit Nachdruck, Ariks Verlautbarungen seien es nicht wert, ein Mikrofon dafür aufzudrehen. Ein alter Mann, der die langfristigen Konsequenzen seines Handels nicht mehr ausbaden müsse und darum in blinder Experimentierwut die Sicherheit Israels gefährde, ein Rattenfänger, dem die Mehrheit nur hinterherlaufe, weil er sie nach Strich und Faden verarsche.
»Seine Kehrtwende ist die eines Panzers, der überrollt, was sich ihm in den Weg stellt. Jetzt fährt er in die andere Richtung, aber er bleibt ein Panzer. Wir sind zu diesem furchtbaren Schritt gezwungen, weil sein Weg nicht zum Frieden, sondern geradewegs in die Katastrophe führt.«
Yossi redet nur noch das Nötigste mit ihr.
C’est la vie.
Sie redet ihrerseits nur noch das Nötigste mit Arik. Der daran keinen Anstoß nimmt, weil er sich auf der Schikmim-Farm das Arbeitspensum aufhalst, das ihm seine Ärzte für sein Büro in Jerusalem verboten haben, ständig Leute bei ihm ein und aus gehen und der Bienenstock summt und brummt.
»Ich bewundere dich«, sagt Schimon am Abend des 31. Dezember am Telefon. »Du bist unglaublich tapfer. Glaub mir, ich weiß sehr genau, welche Kraft dich das alles kostet.«
»Ach ja?«, sagt sie trocken. »Auch schon jemanden um die Ecke gebracht?«
Er schweigt einen Moment. »Es war nicht zu vermeiden.«
»Und was war dein Preis?«
»Der Preis ist das Land. Er ist immer das Land. Unser Land. Die Juden müssen nicht länger umherziehen, wir retten einen Traum.«
Bevor sie einschläft, gehen ihr seine Worte im Kopf herum, und etwas daran macht sie stutzig.
Etwas, das darin mitschwang, anders als sonst.
Wir retten einen Traum –
Schikmim-Farm
Der erste Januar ist klar, sonnig und frostig. Während der Nacht ist Schnee gefallen, eben so viel, als habe jemand eine feine Schicht Puderzucker über das Land gesiebt. In Tel Aviv und Jerusalem überdauert der Zauber gerade mal die frühen Morgenstunden, und Yael kommt eine TV -Dokumentation in den Sinn: Zukunft ohne Menschen , ausgehend von der Annahme, mit einem Fingerschnippen verschwänden alle Menschen. Ohne Grund. Einfach als Gedankenexperiment. Schnipp, weg. Alles Übrige bliebe, flimmernde Fernseher, fliegende Flugzeuge, laufende Atomkraftwerke. Was würde geschehen, wie lange bräuchte es, bis die Städte zerfielen, sich die Natur regenerierte?
Eines hat sie überrascht.
Schon nach wenigen Tagen fiele die Temperatur in den Städten um drei bis vier Grad, mit einer ganz simplen Erklärung:
Menschen sondern Wärme ab.
Alle Menschen.
Körperwärme.
Sie weiß nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund erscheint ihr der Nahostkonflikt vor dem Hintergrund dieser Vision noch idiotischer. Eine Welt ohne Menschen wäre eine kältere Welt, aber der frühe Schnee würde wahrscheinlich liegen bleiben.
Auf den Hügeln der Schikmim-Farm hält er sich. Noch am Nachmittag liegen Haupthaus und Stallungen unter dieser dünnen weißen Schicht wie das Innere einer Schneekugel. Ein aus der Zeit gefallenes Bild, das den Eispanzer, den Yael um sich gelagert hat, anschmilzt, paradox, oder?
Schnee schmilzt Eis, aber so ist es.
Arik erwartet sie in der Küche.
»Und?« Yael wuchtet ihren Rucksack auf die Arbeitsfläche, zum zweiten Mal an diesen Tag. »Wie geht’s dir seit heute Morgen?«
»Eigentlich ganz gut.« Er lächelt. »Mit Abstrichen. Immer mal
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