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nicht mehr, als Yael seinen Blutdruck misst, glaubt sie ihren Augen nicht zu trauen.
Wieder 220.
»Er hat einen Schlaganfall«, erklärt sie Gilad. »Er muss ins Krankenhaus. Sofort!«
Gilad schlägt das Soroka-Medizinzentrum in Beer Scheva vor, nächstliegende Adresse. Alle sind überfordert, also ruft Yael Schlomo Segew an, Ariks Leibarzt, der sie zum Nichtstun verdonnert.
Er sei auf dem Weg.
Arik rappelt sich hoch, will ins Bad.
Yael stützt ihn.
»Geht schon«, sagt er und bricht zusammen.
»Wir warten nicht.« Scheucht seine Sicherheitsleute, sie sollen die Trage holen, die immer bereitsteht, mit vereinten Kräften wuchten sie ihn darauf, und DANN DAS : Die Scheißtrage passt nicht in das Ambulanzfahrzeug. 20 Minuten fuhrwerken sie mit ihm herum, Menschen rennen derweil atemlos durcheinander, der Bienenstock ist in heller Aufregung, als sie ihn endlich drinhaben, trifft Segew ein, gemeinsam springen sie zu Arik in den Wagen, Segew, Gilad und Yael, in Beer Scheva, heißt es, seien sie für so was nicht ausgestattet, also die lange Fahrt ins Hadassah –
Lass es eine Embolie sein, eine Embolie, eine Embolie –
Arik spricht wieder. Nicht gut, aber er spricht.
»Kobbf-weh«, sagt er.
Lächelt.
Ein Offizier des Schin Bet ruft an, warum kein Helikopter?
Nicht nötig, sagt Segew.
Wieso eigentlich nicht, fragt sich Yael. Hätten wir bloß den Scheißheli gerufen, dann wären wir jetzt schon dort!
Ariks Sprache bessert sich. Er ist wach, wedelt mit der rechten Hand, was wohl als beruhigende Geste gemeint ist, damit sich alle hier nicht so schrecklich aufregen.
»Wirdd schon. Machdeuch ma keine Sorgen, das gehd –«
( ICH soll mir keine Sorgen machen, ich bin schuld daran, dass das passiert, hörst du!)
»– ggleich wwieder.«
»In zehn Minuten sind wir da«, sagt sie.
»Ja. Gud. Glaube, ddas Schlimmsde is überstanden.« Jetzt klingt er schon wieder kräftiger, klarer. »Is wahrscheinlich wie ledztes Mal, in zwei Stunden sind wir wieder dzu Hause.«
Die Seifenblase einer Hoffnung wabert im Raum.
Zerplatzt.
Plötzlich und heftig gibt Arik seinen Mageninhalt von sich, stiert ins Nichts, stammelt Unverständliches.
»Arik!«
Keine Reaktion, er verfällt in Apathie, scheint aufzugeben. Im Wagen macht sich Panik breit, Segew ruft den Chefkardiologen des Hadassah an, sie sollen eine Notoperation vorbereiten, Yaels Augen füllen sich mit Tränen, weil sie an ihren Traum denken muss, wie sie bei Rabin im Cadillac sitzt, das kann doch nicht sein, denkt sie, was ist dasdenn für ein perfider Film, was geschieht hier?, während der Wagen bis vors Hauptportal rast, Ärzte und Pfleger eilen herbei, schaffen ihn in die Notaufnahme, geben ihm Beruhigungsmittel, Arik verliert das Bewusstsein, künstliche Beatmung, Kernspin.
Alle sind da.
Staatssekretäre, Sicherheitsleute, sein Beraterstab.
Yael hockt auf dem Flur zwischen ihnen.
Kamerateams treffen ein, wie eine Schockwelle hat sich die Nachricht fortgepflanzt, Menschen strömen auf den Vorplatz der Klinik, Olmert regiert jetzt das Land, vorübergehend, heißt es.
(Vorübergehend? Haha. Gebt euch keinen Hoffnungen hin.)
Als der Direktor des Hadassah um kurz nach elf vor die Presse tritt und erklärt, Premierminister Scharon habe eine massive Hirnblutung erlitten, ist sie nicht überrascht.
Sie fühlt ohnehin nicht mehr viel.
Stundenlang sitzt sie auf dem Gang, während die Ärzte im OP um Ariks Leben kämpfen. Sitzt immer noch da, als sie ihn nach Stunden in die neurochirurgische Intensivstation im siebten Stock rollen, in einen Raum, der Schlomo Argov gewidmet ist, Israels Botschafter, den die ANO vor dem Londoner Dorchester Hotel ins Koma schoss.
Der Anschlag, der Ariks Libanonfeldzug auslöste.
Geschichte ist ein Spinnennetz.
Sitzt da, als Yossi Backenroth an ihr vorbeigeht, wortlos auf sie herabschaut, weitergeht.
Hört kaum das Piepen der SMS , die auf ihrem Prepaid-Handy eintrifft. Erst nach geraumer Weile zieht sie es hervor und schaut auf das Display, liest Schimons knappe Nachricht:
GLÜCKWUNSCH
Geht auf die Toilette und erbricht sich.
2011
Nablus
Hanaan schaut hoch zum vierten Stock, während sie auf das Haus zugehen. Alles dunkel hinter den Fenstern.
»Ob sie brav sind und schlafen?«
»Die?« Mansour grinst. »Die haben bis eben noch ferngesehen.«
Zehn Uhr durch. Sie waren Freunde besuchen. Ein unkompliziertes, kleines Abendessen, morgen müssen alle früh raus.
»Knallwach«, sagt Mansour vor der Wohnungstür.
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