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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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kompletten Boulevard mit MG -Salven bestreichen. Rauchsäulen vor babyblauem Postkartenhimmel. Die Feuerlanzen der Katjuschas. CNN -Reporter in geducktem Lauf auf der Suche nach einer besseren Position, Leichen weiter vorne, wo die Straße überflutet ist, Körper, die sich im Wasser spiegeln wie Inseln, klick. Foto auf Foto lichtet er das Panorama einer seit Langem angekündigten und doch unerwartet verheerenden Zerstörung ab, zum Soundtrack der Foo Fighters, Wasting Light, Bridge burning. Dave Grohl, der sich die Seele aus dem Leib schreit.
    Dave Grohl?
    Sein Klingelton.
    Jemand versucht ihn anzurufen.
    Erneut beginnt die Luft zu singen, das vertraute, enervierende Crescendo, und diesmal rennt Hagen. Schlittert neben Petter hinter die Mauer, macht sich klein, und da erfolgt auch schon der Einschlag, dicht und ohrenbetäubend, als habe jemand geradewegs in seinen Kopf geschossen. Der Boden bebt, Trümmer prasseln trommelwirbelartig gegen die Barriere, hinter der sie zusammengekauert hocken.
    My number’s up, bridges all burned –
    Geht ran.
    »Tom?«
    Kerstin, in einem friedvolleren Universum.

    Hagen hält sich das freie Ohr zu. So schnell kann er gar nicht Atem holen, wie sie sein Sozialversagen in Attribute fasst: unzuverlässig, verantwortungslos, ein liebloser Arsch, das sei ja wohl unstrittig, und ob er seine Hosen in diesem Leben noch mal abholen wolle?
    Hosen?
    Ach ja. Wann hat er ihr die noch gleich zum Ändern gebracht, ihre Einwände ignorierend, er solle sich endlich neue kaufen? Letzte Woche, vergangenes Jahr?
    »Kerstin?«
    »Was?«
    »Kannst du später noch mal anrufen?«
    »Nein. Wo bist du, verdammt?«
    »Ich versteh dich kaum. Wie viel bekommst du für die Hosen?«
    »Ist das alles, was dich interessiert? Was ich für die Hosen bekomme, deine verkackten Hosen?«
    »Du fehlst mir.«
    Petter schaut ihn aus runden Augen an, macht die Handbewegung für bescheuert. Neben ihm klebt die Korrespondentin vom Guardian in der Mauer, sichtlich ohne Freude am Job.
    »Tom? Was ist das für ein entsetzlicher Lärm?«
    Lauter Fragen, keine Antworten.
    »Kerstin, ich kann jetzt nicht.«
    »Übermorgen fahre ich für zwei Wochen weg. Der Laden ist dann zu. Ich meine, wenn du sie vorher brauchst –«
    »Ich glaube kaum. Wir sind unter Beschuss.«
    »Was?«
    »Unter Beschuss!«
    »Wo, um Himmels willen?«
    »Sirte. Libyen.«
    Pause. »Oh Gott, Tom, macht, dass ihr da rauskommt.«
    »Bist du verrückt geworden?« Hagen lacht, hustet. »Ich liebe es!«
    »Du spinnst.«
    »Ich muss Schluss machen. Ich ruf dich an.«
    »Tom!« Das Zischen eingesaugter Luft. »Du blöder Arsch, ich dachte, wir sind zusammen. Du hast mir nicht mal erzählt, dass du wegfährst, und jetzt –«
    Er kappt die Verbindung. Hamburg unterwirft sich den geografischen Gegebenheiten und rückt zweieinhalbtausend Kilometer in die Ferne, mitsamt Hagens geänderten Hosen und der Illusion einer Partnerschaft. Von jenseits der Barriere hört er die Motoren der Pick-upsaufheulen, riskiert einen Blick. Wie es scheint, hat die Misrata-Brigade, überrascht von so viel unerwartetem Widerstand, die Flucht angetreten. Ihre rollenden Abschussbasen vollziehen überstürzte Wendemanöver, Blech knallt auf Blech, dazwischen das Fußvolk in ungeordneter Flucht. Ein Mann strauchelt, stürzt, wird überfahren, auf eine Ladefläche gehievt.
    In all dem Chaos steht ein Junge, zwölf Jahre vielleicht, und starrt durch den verwirbelnden Rauch zu ihnen herüber. Unmöglich zu sagen, was er empfindet. Hagen hält mit dem iPhone auf seine geweiteten Augen, und der Junge rennt in eine Richtung davon, die so wenig empfehlenswert scheint wie jede andere.
    Als Petter endlich hochkommt und seine Kamera justiert, ist er schon verschwunden.
    »Vergiss es«, sagt Hagen. »Weg hier.«
    Der Beschuss aus den Häusern nimmt an Heftigkeit zu. Mörserteams und Scharfschützen haben sich in den Ruinen verschanzt. Dabei ist Sirte so gut wie gefallen, man könnte meinen, die Übernahme der letzten Wohnblocks, in denen Gaddafis verbliebene Kämpfer gegen die Truppen des Übergangsrats anwüten wie ein Häuflein resistenter Bakterien gegen die Übermacht des Antibiotikums, sei eine bloße Fingerübung. Was die Sache kompliziert, ist, dass die Bakterien das Antibiotikum sehen und gezielt draufhalten können, während sie im Konvoi rätseln, aus welchem Fenster, von welchem Dach her sie gerade ins Visier genommen werden. Da nützt es wenig, dem löchrigen Skelett, das einmal Libyens schönste

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