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nicht in den Fußstapfen seines Bruders zu sehen wünschte.
Du bist zu Höherem berufen, spricht Jahwe.
Du wandelst auf meinen Pfaden.
An meiner Seite.
Das einzig Dumme daran ist, dass Benjamin gern auf dem Hof helfen würde, bloß wie mit seinem verkrüppelten Fuß?
Kann Gott auch dagegen etwas haben?
Offenbar ja, fortan nämlich lässt er ihn durch Rachels Mund wissen, es sei seiner Gesundheit abträglich, körperliche Arbeit zu verrichten, sie und Jehuda schafften das schon. Außerdem zahle sich das jahrelang vollbrachte Kunststück, mit den Scheinermanns befreundet zu sein, ohne es sich mit dem Moschaw zu verscherzen, nun in Nachbarschaftshilfe aus.
»Auf dich warten gewiss andere Herausforderungen. Wo du doch so ein begabter Schüler bist.«
Das stimmt.
Er, Jehuda und Arik gehen jetzt auf die renommierte Geula-Schule in Tel Aviv, vor allem Arik genießt es, der ideologischen Dauerbeschallung seines Elternhauses zu entkommen. Dass Bauernkinder weiterführende Schulen besuchen, ist im Moschaw nicht üblich, die Marxisten betrachten Bildung mit Skepsis. Sie sehen darin eine Freizeitvergnügung arbeitsscheuer Kapitalisten mit dem Ziel, ihre Privilegien zu mehren und rechtschaffene Arbeiter zu unterdrücken. Die Kahns und Scheinermanns sehen das anders, ihre Söhne danken es auf unterschiedliche Weise. Während Arik in der Gadna deutlich mehr Bewunderung erfährt als von seinen Lehrern und auch Jehuda sich mehr schlecht als recht durchlaviert, glänzt Benjamin mit Bestnoten, allem voran in Religion, Philosophie und Hebräisch. Schon darum, so Rachel, solle er sich lieber der Bewirtschaftung seines Geistes als dem Pflügen der Felder widmen, eines Tages werde man ihn vielleicht Doktor nennen, auch Rechtsanwalt könne sie sich für ihn vorstellen oder Mediziner.
»Mach was aus deinem klugen Kopf«, sagt sie.
Was sie nicht sagt, ist, dass ihr seine wachsende Frömmigkeit unheimlich wird.
Was ist bloß los mit dem Jungen?
Schalom hat nicht an Gott geglaubt, sie glaubt nicht an Gott, und Jehuda, na ja. Sein Glaube ist vorbeiziehender, sagen wir, taktischer Natur. Womöglich fürchtet er, als Atheist am Ende unrecht zu behalten, und wer will schon disqualifiziert zum Jüngsten Gericht zockeln, aber am Tag seines 16. Geburtstags verkündet er, sich Gott nicht vorstellen zu können, und das Thema ist durch.
Jehuda halt.
Keiner, der tief schürft.
Schaut ihn euch an! Von den Feldern kommend, an der Schwelle zum Mannesalter. Unmelodisch durch die Zähne pfeifend, gebräunt undmuskulös, sonnenhell durchzogenes Haar. Der leibhaftige Beweis dafür, dass die zionistischen Plakatmaler nicht allesamt in Wunschvorstellungen geschwelgt haben. Mädchen laufen ihm hinterher, Jehuda lernt. Nicht, was er sollte, aber sie machen es ihm auch allzu leicht. Mit 16 verfügt er über Kenntnisse auf eher altersuntypischen Gebieten, dafür sind seine Noten geeignet, Depressionen auszulösen. Rachel müht sich nach Kräften, die testosteronvernebelten Gedanken ihres Sohnes zurück auf den Lehrplan zu lenken, andererseits kann sie ihm schlecht Vorhaltungen machen. Auf dem Hof arbeitet er für zwei, schafft es auf seine Weise, Schalom zu ersetzen, seiner Unermüdlichkeit ist es zu danken, dass sie Kfar Malal nicht aufgeben müssen, das ist das Entscheidende.
Denn was täten sie dann?
1944 ist Palästina kein Ort, um eben mal die Existenzgrundlage zu wechseln. Ben Gurion fordert, die Briten mit der Waffe in der Hand zu unterstützen, Irgun, sie mit der Waffe in der Hand zu bekämpfen. Völlig zerstritten, erringt die Arbeitspartei zwar die Mehrheit in der Abgeordnetenversammlung, ohne jedoch dem heimischen Terror Einhalt gebieten zu können. Alliierte Truppen überrennen die Strände der Normandie, im Jischuw gedeihen Pläne zur Rettung deutscher Juden. Zeit, zusammenzustehen, wann, wenn nicht jetzt? Doch der Riss in der jüdischen Gesellschaft Palästinas vertieft sich, Handel und Wirtschaft leiden, in den Städten grassiert die Arbeitslosigkeit, ganze Familien verelenden.
Was also soll Rachel Jehuda sagen?
Vergiss den Hof und steck die Nase in deine Bücher?
Sie denkt nach.
Und hat die Lösung vor Augen.
Die ganze Zeit über war sie da, in Gestalt Benjamins, den man immer öfter über den Talmud gebeugt vorfindet. So ein hervorragender Schüler, und dann diese ungesunde Versessenheit auf Religion.
Aber vielleicht langweilt er sich ja nur.
Es mangelt ihm an Aufgaben?
Soll er Jehuda Nachhilfe geben. Immer mal
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