Breaking News
zwischendurch, wenn ein bisschen Zeit ist.
Und dieser Plan –
– geht auf.
Erstens, weil Benjamin Jehuda vor Zensuren bewahrt, derer man sich in der Nachbarschaft schämen müsste. Zweitens, weil seine Fähigkeiten als Nachhilfelehrer die Runde machen.
Bis nach Tel Aviv spricht es sich herum.
Dein Sprössling hat Probleme mit dem Lehrstoff?
Frag Benjamin Kahn aus Kfar Malal, und frag ihn gleich auch, was es kostet.
Rachel könnte sich küssen für die Idee, das läuft ja noch besser als gedacht. Der Junge hängt ihr nicht länger am Rockzipfel, verdient sogar eigenes Geld. Stolz, Zuneigung und Wärme durchfluten sie, und auch ein bisschen Erleichterung, weil ihr vom Leben benachteiligter Benjamin endlich die Anerkennung erfährt, an der sie es hat mangeln lassen, wie denn aber auch, mit all den Sorgen?
Vielleicht, malt sie sich aus, lenkt ihn der Umgang mit so vielen Menschen ja zurück auf weltliche Pfade.
Ein Plan, der nicht aufgeht.
Durchkreuzt nämlich von einer Familie polnischer Großisrael-Aktivisten, kinderreich und ziemlich vermögend. Die Szymanskis kommen direkt aus Warschau, haben sich in einer renovierungsbedürftigen Bauhausvilla in Tel Aviv einquartiert, planen jedoch, eines baldigen Tages nach Hebron zu ziehen, um Abraham, Isaak und Jakob nahe zu sein und die Ankunft des Messias aus nächster Nähe mitzuerleben.
Diese Leute sind keine gewöhnlichen Revisionisten.
Sie sind nationalistisch.
Sie sind religiös.
Und beides mit solcher Inbrunst, dass eine Steigerung schwerer vorstellbar ist, als den Mount Everest aufzustocken.
Ihre älteste Tochter heißt Leah.
Und Leah erteilt Benjamin Nachhilfe auf ihre Art.
2011
Libyen, Sirte, 19. Oktober
Als die Granate in den Kleinbus schlägt, ruft Kerstin an, um ihm zu sagen, dass seine Hosen fertig seien.
Sekunden zuvor: das charakteristische Jaulen, langsam anschwellend. Dann umso plötzlicher, wie sich der Bus aufbläht und in einer Explosion, der es auf verblüffende Weise an Feuer mangelt, auseinanderfliegt. Nur Rauch und eine solch immense Druckwelle, dass sie Hagen von den Beinen hebelt. Er klatscht auf. Rollt herum. Schützt den Kopf mit beiden Armen, während Schrapnellsplitter den Asphalt spicken, Trümmer Fenster zerschlagen, sich in Hauswände und Mauern bohren, eine graugelbe Walze über ihn hinwegschießt. Kommt hoch, Augen und Atemwege voller Zementpartikel, den Geschmack pulverisierter Zivilisation auf der Zunge, spurtet seinen Kollegen hinterher.
» Allahu Akbar !«
Geschrei, Durcheinander. Der Konvoi ist zum Stehen gekommen. Pumpt seine Antwort in den Wohnblock gegenüber, Katjuschas, Mörsergranaten, das ganze Programm. Reporter und Fotografen hasten zwischen den kreuz und quer geparkten Fahrzeugen hindurch, flüchten in den Schutz der Hauseingänge. Einer der Jeeps, achslastig von der Stalinorgel auf seiner Ladefläche, setzt zurück und knallt dem Hintermann in den Kühler, der Schütze wird vom Sitz geschleudert, fällt in den Dreck, stimmt ins Gebrüll mit ein. Wie besessen feuern die Rebellen in das Gebäude und verwandeln es in eine löchrige Ruine.
Entfesselter Irrsinn.
»Tom!«
Hagen stoppt. Der Bus hat sich in Pollock’scher Manier über die Straße verteilt. Neben dem grotesk verbogenen Wrack windet sich ein Mann am Boden, Brustkorb und Gesicht schwarz versengt. Seine Beine zucken, treten ins Leere.
»Hierher!«
Petter. Wo ist der Feigling?
»Komm her, Mann!«
Da! Lugt über ein zerschossenes Stück Mauer, fuchtelt hektisch mit den Armen.
»Jetzt komm schon! Was tust du denn da?«
Ja, was, denkt Hagen.
Das Stakkato der Artillerie bringt den Himmel zum Widerhallen, ein Hämmern und Dröhnen von hypnotischer Rhythmik. Raschere Frequenzen mischen sich hinein. Kalaschnikows spucken ihre Ladungen in den Nachmittag, knapp und beiläufig. Hinter den leeren, schwarzen Augenhöhlen der Fenster haben Gaddafis verbliebene Getreue ihr letztes Gefecht aufgenommen. Er sollte in Deckung gehen, und zwar schleunigst, stattdessen läuft er zu dem armen Schwein, das es so übel erwischt hat. Sieht aus den Augenwinkeln den Kameramann von Al Jazeera heransprinten, filmend, während Rebellen den Verwundeten aus der Schusslinie zu ziehen versuchen, greift zur Gürteltasche, zerrt das iPhone hervor.
»Tom! Bist du irre? Komm endlich!«
Hört nicht hin. Drückt den Auslöser.
Das Wrack, klick.
Der Verletzte, der ein neues Gesicht brauchen und keines bekommen wird, klick.
Die Kämpfer der Misrata-Brigade, die jetzt den
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