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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Kulissenzauber, den du hier abziehst, Heulen und Zähneknirschen nach der Schlacht, das kann jeder, du Flasche, davon wimmelt es im Netz. Ich dachte, du hast mehr Mumm! Aber nein, es muss nur jemand vernehmlich furzen, und du verschwindest schon hinter irgendwelchen Mauern!«
    Petter atmet schwer.
    »Ich sehe dir das nach, Tom«, sagt er leise. »Du hast es nicht leicht gehabt in letzter –«
    »Ach nein?«
    »Wir wissen doch beide –« Lässt den Satz unvollendet.
    Hagen legt den Kopf schräg. »Was?«
    Der Norweger schweigt.
    »Du meinst, ich kann froh sein, dass überhaupt noch einer mit mir spielt. Wolltest du das sagen?«

    »Du bist besessen.«
    »Besessen. Aha.«
    »Warum gehen wir nicht nach Tripolis? Dieses Scheiß-Sirte kannst du niemandem mehr verkaufen, die Leute haben die Nase voll von umkämpften Städten, nachdem der Machtwechsel gelaufen ist. Schau dich doch um, wer ist denn noch hier?«
    »Al Jazeera, CNN –«
    »Okay, die sind überall, und zwei, drei andere Unverbesserliche auch, aber die neuen Töne kommen aus Tripolis.«
    »Es geht nicht um irgendeine umkämpfte Stadt.«
    »Du verrennst dich. Er ist nicht hier.«
    »Er ist hier.«
    »Nein, Tom.« Petter schüttelt müde den Kopf. »Er ist über alle Berge. Wach endlich auf. Er ist weg.«
     
    Ist er nicht, denkt Hagen.
    So manches mag ihm in den vergangenen Jahren abhandengekommen sein, aber auf seinen Instinkt kann er sich verlassen. Und der sagt ihm unmissverständlich, warum es sich empfiehlt, in Sirte zu bleiben, anstatt wie alle anderen den ermüdenden Volksjubel in Tripolis zu dokumentieren.
    Gaddafi ist hier.
    Hagen weiß es. Fühlt es.
    Der letzte Vorhang fällt in dieser Stadt.
    »Sir. Sir!«
    Tritt zur Seite. Zwei Ärzte schieben den Schwerverbrannten auf einer Bahre an ihm vorbei. Gesicht und Oberkörper des Mannes gleichen einer Landschaft nach einem Vulkanausbruch, schwarz und krustig, durchzogen von schwärendem Rot, wo die Haut aufreißt. Ein Auge ist geschlossen, das andere blickt starr zur Decke. Er riecht faulig, nach Tod. Das Leben verlässt ihn schneller, als es aus dem Tropf nachsickern kann.
    Was denkt er? Sofern er noch zum Denken in der Lage ist.
    Vielleicht: Das Paradies ist gelb?
    Das Vorzimmer zur Glückseligkeit ist es auf jeden Fall.
    Eidottergelb.
    Wände und Decken, die komplette Villa des verhafteten Gaddafi-Protegés, die den Rebellen als provisorisches Lazarett dient, ist in diesem beherzten Gelb gehalten. Nahe des Al-Gardabiyah-Wasserreservoirs liegt das Anwesen, umgeben von Dattelpalmen und Orangenbäumen. EineOase, vor allem aber außer Reichweite der Granatwerfer, die Gaddafis letztes Aufgebot mit bestürzender Präzision zum Einsatz bringt.
    Das Problem sind die Spotter auf den Dächern.
    Schwer auszumachen, zusammengekauert hinter Giebeln und Firsten, überblicken sie das Umland und sagen den Mörserschützen, wohin sie zu schießen haben. Schon von einem dreistöckigen Gebäude aus hat man kilometerweite Sicht. Große Teile Libyens sind platt wie ein Pfannkuchen, Anschleichmanöver obsolet, und so war es bisher fast jedes Mal dasselbe, in Misrata, Bengasi, Brega, Bani Walid: Bis auf sechs, sieben Kilometer kamen die Konvois heran, ein paar Feuergefechte, rasch erledigt. Dann krachten ihnen die Willkommensgrüße aus den 82- und 120-mm-Mörsern ins Kontor, zwangen sie zum Rückzug, wieder vor, zurück. Immer zielte die Strategie der Verteidiger darauf ab, die Angreifer auf Distanz zu halten. Immer war deren Strategie, aus sicherer Entfernung zurückzuballern, was das Zeug hielt, bis mit den Mauern die Moral bröckelte.
    Und die Special Forces übernahmen.
    »Sie gehen noch mal rein«, sagt einer der Ärzte ungefragt, als Hagen ihm hilft, einen verletzten CNN -Producer nach draußen zu bringen. »Heute Nacht.«
    Das Bein des CNN -Mannes ist verbunden. Hat sich bei den Kämpfen einen Schrapnellsplitter in der Wade eingefangen. Mit dem linken Arm stützt er sich auf Hagen ab, ein winziges, blutiges Päckchen umklammernd. Der Arzt, Abdallah heißt er, hat den Splitter rausoperiert und ihn dem Producer eingepackt.
    Souvenirs from Libya –
    Zum Herzeigen dort, wo man Krieg für Reality- TV hält.
    Wie ein angeschossenes, sechsbeiniges Tier hinken sie über den Flur. Rollbetten reihen sich die Wände entlang, ein Verschiebebahnhof des Elends. Menschen stöhnen, stieren ins Nichts, Verbände um Kopf und Gliedmaßen oder da, wo kürzlich noch welche waren. Vor zwei Wochen, erinnert sich Hagen, sind sie hier aus

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