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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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schlimmer. Wo soll man hier Verbündete finden – Ortskundige, die nachts mit den Special Forces um die Häuser schleichen? Mag ja sein, dass selbst in diesem Milieu neutronensternartig verdichteter Königstreue viele den Wandel herbeisehnen, aber helfen? Hier hilft niemand den Rebellen. In Sirte als Kollaborateur enttarnt zu werden, ist nun wirklich das Letzte, was man sich vorstellen mag.
    So hat die Stadt jedes Ultimatum verstreichen lassen.
    Woche um Woche, ohne einzulenken.
    Ihren Untergang betrieben, dabei wollte der Übergangsrat sogar weiterverhandeln. Seine diplomatische Eignung unter Beweis stellen. Schon, weil der stänkernde Westen nicht müde wird, den Araber schlechthin zum natürlichen Feind der Menschenrechte zu stilisieren. Die NATO mag Menschen töten, orchestriert wird Unified Protector von der wohlklingenden Operettenethik der UN , mit Ban Ki-Moon als ihrem chronisch bestürzten Vorsänger. Unsummen kostet der Einsatz, die will die westliche Welt in demokratische Strukturen investiert sehen, und sie hat ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie diese neue Demokratie auszusehen hat. Wörter wie Scharia kommen darin nicht vor.
    Der Westen will, dass Libyen den Test besteht.
    Und genau hier liegt das Problem, denkt Hagen. Dass sie in Europa und Amerika den Arabischen Frühling als eine Art Eignungstest misszuverstehen scheinen.
    Wer ist der wohlgefälligste Araber?
    Im Augenblick jedenfalls keiner.
    Weil nämlich der desperate Haufen, der vor acht Monaten angetreten war, um Gaddafi zu stürzen, eine Art Elitetruppe herausgebildet hat, extrem kampferprobt und gut bewaffnet. Leute aus Misrata, einer Stadt 200 Kilometer nordwestlich von Sirte. Ein alter, abgeschlagener Rivale um Gaddafis Gunst. Und diese Misrata-Brigade sagt der schlüpfenden, sich putzenden, von Diplomatie und Menschenliebe zwitschernden Regierung, genug gequasselt. Wir klären das jetzt auf eigene Weise, sonst wird uns der geliebte Bruder Führer, diese verlogene Kanalratte, noch bis ans Ende aller Tage auf der Nase rumtanzen.
    Und sie schießen Sirte in Grund und Boden.
    Was wörtlich zu nehmen ist.
    Haben sie anderswo noch versucht, nicht gleich jedes Haus zu durchlöchern, scheinen sie nun bestrebt, eine ganze Stadt in ihre Atome zu zerlegen. Neid und Missgunst entladen sich aus Mörserläufen, während die Special Forces unter Mühen versuchen, ins Zentrum zu gelangen. Wann immer sie erfolgreich waren, fliegt die NATO ihre Einsätze und zertrümmert, was die Rebellen haben stehen lassen, doch die Sirter sind zäh.
    Das Schlachten zieht sich hin.
    Wie lange noch?
     
    »Das weiß Gott.«
    »Geht’s konkreter?«
    »Wenn die Spotter heute Nacht erfolgreich sind, wird die NATO bei Tagesanbruch bombardieren.«

    Hagen hat einen der Rebellenkommandeure im Garten aufgestöbert, zwischen Palmen und Zierbeeten. Wie es aussieht, sucht der Mann dort einen kostbaren Augenblick lang Ruhe. Die Ruhe hat Hagen ihm gerade gründlich vermasselt, aber es ist ihm gleich. Außerdem kennen sie sich aus Bengasi. Mögen sich, reden oft miteinander.
    »Bedeutet, wir gehen morgen wieder rein?«
    »Gleich danach.«
    Gleich danach heißt, wenn sie in Sirte noch dermaßen durcheinander vom Bombengewitter sind, dass sie vor lauter Händezittern kaum zielen können.
    »Und wo ist Gaddafi?«
    »Sie lassen nicht locker, was?«
    »Ich will nur nicht am falschen Ort sein, wenn ihr ihn schnappt.«
    Der Kommandeur zieht ein zerknittertes Päckchen Marlboro aus der Brusttasche. Klopft eine Zigarette heraus, zündet sie an. Hält Hagen die Packung hin.
    »Nein danke.«
    »Was macht Sie so sicher, dass er hier ist?«
    »Psychologie.«
    »Ah.« Der Kommandeur lächelt. »Und ich dachte schon, Sie wüssten etwas, das Sie mir noch nicht gesagt haben.«
    »Gaddafi ist viel zu verrückt, um das Land zu verlassen. Wo soll er sonst sein?«
    »Tatsache ist, wir kriegen widersprüchliche Informationen. Mal heißt es, er hätte sich mit seinen Söhnen in Buhadi verschanzt. Gut möglich, so wie sie uns da heute in Empfang genommen haben. Andere sagen, er sei in Algerien gesehen worden. Im Tschad soll er auch sein. Und in Niger. Wir wissen zwar nicht, wo er ist, aber wenigstens haben wir jede Menge Gaddafis zur Auswahl.«
    Hagen fröstelt. Leichter Wind ist aufgekommen, Zikaden singen. Eine dünne Wolkendecke hängt am Himmel, rot pulsierend von den Bränden in der Stadt; der apokalyptische Gegenentwurf zur Schönheit dieses Ortes. Selbst starrend vor Autos, Waffen und Menschen,

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