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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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der tonnenschweren Masse arbeitet. Spüren Rinnsale fein zermahlenen Betons auf ihrer Haut, die jetzt herabzurieseln beginnen, dichter und dichter.
    Dann senkt sich die Decke mit einem Ruck.
    Wenige Zentimeter, doch es reicht, um einem den Verstand zu rauben.
    Sie beginnen zu zittern. Hyperventilieren.
    Schreien.
    Genau das sollten sie nicht tun, weil sie auf diese Weise den ohnehin knappen Sauerstoff nur umso schneller verbrauchen, aber erzähl das mal einem Eingeschlossenen. Sie heulen und flehen. Sättigen ihre Lungen mit Zementstaub. Klopfen. Hämmern wie irre mit den Fäusten gegen die Wände ihres Gefängnisses, in der verzweifelten Hoffnung, dass jemand kommen und sie ausbuddeln wird, nutzen ihren winzigen Bewegungsspielraum für Nutzloses, da natürlich niemand kommen wird, um sie zu retten, weil niemand mehr da ist.
    Beten, sofern sie ihren Koran kennen. Dass sie zu den Seligen gehören, die 11. Sure im Kopf, 106   –   107: Denn die Unseligen werden im Höllenfeuer sein, wo sie laut aufheulen und hinausschreien, und wo sie verweilen werden, solange Himmel und Erde währen, soweit es dein Herr nicht anders will.
    Will er nicht. Nicht heute.
    Also ersticken sie.
    Was immer noch besser ist, als langsam zerquetscht zu werden.
    In diesen Stunden ist Sirte nicht länger Sirte.
    Es ist Dschahannam.
    Die Hölle.
     
    »Hat irgendwie seine eigene Ästhetik«, sagt ein französischer Fotograf zehn Kilometer weiter zu Hagen. »Nicht, dass wir uns missverstehen, aber es ist schon ein grand spectacle, n’est-ce pas ?«
    Unbestritten ist es das.

    Noch bevor der Himmel zu dröhnen begann, gegen zwei Uhr morgens, sind die verbliebenen Korrespondenten und Fotografen auf das Dach der Villa gestiegen und haben sich ihre Plätze gesichert, Loge, Balkon, erstes und zweites Parkett. Wie eine Bühne liegt die Stadt am Horizont. Das Ganze hat etwas von einer Freilichtaufführung, fehlt nur, dass jemand Champagner und Horsd’œuvres reicht, während sie sich gepflegt über die Inszenierung verbreiten. Zuvor sind die Spotter ein letztes Mal ins Herz des Widerstands vorgedrungen, haben die Bastionen der Verteidiger markiert, sich abgesetzt und Sirte zur Exekution freigegeben, in ständigem Kontakt mit der NATO -Einsatzleitung. So wussten die Rebellen auf die Stunde genau, wann die Bombardierung beginnen würde, und damit wissen es auch die Journalisten.
    Und die filmen und fotografieren wie besessen.
    Ein weiterer Einschlag – Blitz, glutrote Blüte.
    Binnen Sekunden türmt sich der Rauch an die 100, 200 Meter auf. Die rußigen Säulen haben Bestand, verharren träge über der Stadt, ändern nur noch gemächlich ihre Form, wodurch sie auf eigenartige Weise belebt wirken, wie gigantische Außerirdische.
    Monsterpflanzen aus dem All, denkt Hagen.
    Krieg der Welten.
    Derlei Assoziationen stellen sich ein, ob man will oder nicht. Hollywood hat das Inferno für alle Zeiten ästhetisiert, Supernovae, Riesenwellen, Vulkanausbrüche, Tornados, brennende Städte, Ereignisse von verstörender Großartigkeit, und alles kommt einem bekannt vor.
    Die Wirklichkeit zitiert die Fiktion.
    Einschlag. Zeitverzögert hören sie den Donner. Wie Tsunamis rasen die Schallwellen heran, durchlaufen jede Zelle des Körpers und versetzen sie in unheilvolle Schwingungen. Selbst hier noch, so viele Kilometer entfernt, spürt man die Wucht der Detonationen, ein schockartiges Aussetzen des Herzens, als schlage einem ein Riese mit der flachen Hand auf den Brustkorb.
    Blitz, Blüte.
    Diesmal nördlich, nahe der Uferstraße.
    Die Meute ruckt nach rechts.
    Richtet die Objektive aus.
    In allen Einzelheiten wird das unrühmliche Schauspiel dokumentiert, um es einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen, die sich längst schon wieder mehr für die Zukunft des Euro und den Amoklauf um die Ecke interessiert. Unten im Garten schreien die Rebellen » Allahu Akbar !«, high von Adrenalin, jedes Mal, wenn es kracht.

    Hagen lässt das iPhone sinken, seiner Gedanken überdrüssig.
    Blüten – Außerirdische –
    Wendet sich ab.
    Eine depressive Mattigkeit hat ihn ergriffen. Wessen Untergang dokumentiert er hier eigentlich? Mit jedem Bild, das er schießt, fügt er der Chronologie seines Scheiterns nur ein weiteres Kapitel hinzu. Schon jetzt quellen die Festplatten der Agenturen über vor identischem Material, ebenso gut kann er sich hinter einem der Pick-ups zusammenrollen und das elende Bombardement verschlafen.
    Er braucht andere Fotos. Nicht diesen austauschbaren

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