Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
7.62, jede Karosserie, doch seine Beine waren schneller als der Kopf, und jetzt ist es ohnehin zu spät.
    Neben ihm kniet Daoud fassungslos im Wasser, das Gewehr gegen die Brust gepresst. Ibrahims Blut sprenkelt seine linke Gesichtshälfte.
    »Warum sind die noch hier?«, keucht er.
    Der Kommandeur bellt Anweisungen in sein Funkgerät.
    »Warum?« Daouds Stimme wird schrill. »Wie können die denn noch hier sein? Warum sind die –«
    »Weil die NATO nicht der Kammerjäger ist«, blafft ihn der Kommandeur an. »Sie haben Sirte bombardiert, nicht ausgegast, damit mussten wir rechnen.«
    Er nennt Namen. Wer reingeht, Feuerschutz gibt.
    Daouds Lippen formen ein lautloses Warum.
    Warum, Junge?
    Weil sie bislang immer da waren, denkt Hagen. Und das weißt du ganz genau, also pack dich an den Eiern. Noch jedes Mal, wenn Gaddafis versprengte Truppen das Weite suchen mussten, haben sie diese netten kleinen Begrüßungskomitees zurückgelassen, um die Bilanz zugunsten eines Mannes zu korrigieren, dem das ganze Blutvergießen keinen Deut mehr nützen wird. Es geht nicht um Strategie. Es geht einzig darum, den Rebellen die Übernahme so bitter wie möglich zu gestalten. Wenige solcher Himmelfahrtskommandos, an hohen Punkten postiert, reichen, um eine ganze Stadt zu terrorisieren. Bis zur letzten Patrone kämpfen diese Typen, knallen Rebellen ab, als lägen sie auf einem Schießstand, gnadenlos und ohne Gnade zu erwarten, bis sie selbst abgeknallt werden.
    Bezahlen Gaddafis offene Rechnungen mit ihrem Leben.
    Das hier wird bitter. Es kann Stunden dauern, bis sie die Kommandos ausgeschaltet haben. Bani Walid, Misrata und Bengasi, da wenigstens hatten sie die Mehrheit der Bevölkerung auf ihrer Seite.
    Hier wird ihnen niemand gegen die Scharfschützen beistehen.

    Hagen fotografiert.
    Daouds aufgerissene Augen. Die Rebellen hinter ihren Barrieren. Den Wohnblock, Fenster wie klaffende Münder. Niemand dahinter zu sehen. Richtet sich auf, und sofort wird auf ihn geschossen.
    »Lassen Sie den Scheiß«, zischt der Kommandeur. »Runter mit Ihnen.«
    Zieht den Kopf ein.
    Der Befehlshabende hat sich das Hinterrad als Lebensversicherung ausgesucht. Im Schutz von Felge und Reifen ist man vergleichsweise gut gepanzert, es sei denn, die Kugeln durchsieben den Tank oder treffen das Monstrum auf der Ladefläche. Sobald dieser in Heimarbeit gefertigte, von Gottesglauben zusammengehaltene Kampfwagen explodiert, ist es egal, wo man hockt.
    »Feuer einstellen!«
    Es knattert weiter.
    »Einstellen, hört ihr schlecht? Erst wieder, wenn ich es sage!«
    Ist so eine Sache mit Befehlen in der angespannten Lage, aber schließlich hört der Donner der Schwerartillerie auf. Nur ein paar Gewehre kläffen weiter, beantwortet vom Peitschenklang der Präzisionsschüsse.
    Waffen im Small Talk.
    Der Kommandeur stellt seine Leute zusammen. Beinahe eine Strategie. Rechte und linke Flanke, Sturm auf den Wohnblock. Gleich rein und dann hoch in die oberen Stockwerke. Chirurgischer Eingriff. Sein Blick bleibt an Hagen hängen.
    »Wollen Sie mit?«
    »Was?«
    »Sie wollen doch mit. Vielleicht ist er ja dadrin. Vielleicht sind das seine Leute.«
    »Klar. Klar!«
    »Dann los.« Ins Funkgerät: »Feuerschutz, jetzt! Mit allem, was ihr habt.«
    Aus der Deckung des Land Cruisers.
    Über die Straße.
    Rennen, spritzendes Wasser.
    Das Artilleriegewitter bricht von Neuem los, taktaktak, zerhackt die Luft. Rauch steigt auf. Hagen filmt, fragmentarische, verwackelte Szenen. Bewaffnete, die zu ihnen stoßen, andere auf der gegenüberliegenden Seite des Boulevards in vollem Lauf. Der Wohnblock. Sind fast da, ein Mann stürzt, rappelt sich hoch, die Scharfschützen in Schach gehalten vom massiven Gegenfeuer. Unmittelbar über ihnen platzt die Hauswand an mehreren Stellen auf, bauscht ihr staubiges Totenhemd. Ein Regen aus zerschossenem Putz geht auf sie nieder, Schüsse, Schreie –
    Dann sind sie drin.
    » Allahu akbar «, flüstert Daoud.
    Kühle.
    Ein Moment des Innehaltens, Atemholens.
    Hagen schaut sich um.
    Bis vor Kurzem noch dürfte dieser Raum eine repräsentative, lichte Lobby gewesen sein, mit großen Fenstern, Empfangstheke, Zierpflanzen und blank polierten Marmorfluchten. Jetzt hat sich die halbe Decke auf dem Boden verteilt und alle Pracht unter sich begraben. Trotz der Sonne, die hereingleißt, herrscht diffuses Zwielicht, hervorgerufen durch Schwebstoffe aller Art. Winzige Partikel sammeln sich in Hagens Mundhöhle, verwandeln seinen Speichel in Klebstoff und

Weitere Kostenlose Bücher