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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Flüchtigen nach.
    Der gerät ins Taumeln, sichtlich geschwächt. Hagen holt auf. Ist mit einem Satz über die Barriere, treibt sich zur Höchstleistung, bevor der andere in einer weiteren Dachluke verschwinden kann.
    »Ich bin dein Freund!«
    An seinem Arabisch kann’s nicht liegen, dass der Mann nicht stehen bleibt, das ist in Ordnung, scheint der Vertrauensbildung indes keinen Vorschub zu leisten. Unbeirrt hält der Fliehende auf das westliche Ende des Flügels zu, wo sich der Blick auf Distrikt 2 und die Straße nach Misrata öffnet.

    Und dort ist –
    Nichts.
    Keine Luke, kein Abstieg.
    Kein Fluchtweg.
    Hagen verlangsamt sein Tempo. Aus den Fenstern unter ihm wird heftig geschossen. Offenbar war der Trupp, der die Schützen im Westflügel außer Gefecht setzen sollte, weniger erfolgreich, fragt sich, wer da wen ausgeschaltet hat. Inzwischen dämmert auch dem Flüchtigen, dass er sich in die Falle manövriert hat. Er stolpert rückwärts, der Dachkante entgegen, eine Hand von sich gestreckt. Fünf gespreizte Finger, mehr hat er nicht zur Abwehr. Der andere Arm baumelt schlaff herab. Blutdurchtränkt. Entsetzen spiegelt sich in seinen Augen, namenlose Angst.
    Die großen, braunen Augen eines –
    Hagen bleibt stehen.
    »Scheiße«, flüstert er. »Du bist ja noch ein Kind.«
    Der Unterkiefer des Jungen bebt. Er ist höchstens vierzehn. Tränen laufen über seine Wangen. Er wimmert, schüttelt den Kopf, windet sich, als versuche er, aus diesem Albtraum aufzuwachen.
    Hagen kann es nicht fassen. Obwohl er es schon hundertmal gesehen hat:
    Kindersoldaten. Blutjunge Gotteskrieger.
    Scharfschützen!
    Scheiße, denkt er, was machen sie bloß aus euch? Diese Drecksäcke, warum tun sie euch das an?
    Er schaut in die Tiefe.
    Unten rangiert einer der Pick-ups wild herum, setzt zurück, wieder vor, arbeitet sich mit den Vorderrädern einen Berg aus Schutt hinauf.
    Ist das nicht – ?
    Klar. Da prangt er auf der Ladefläche, der UB -32-Raketenwerfer, der garantiert nicht einwandfrei montiert ist, und jetzt haben sie die Kiste zu allem Überfluss auch noch nach hinten gekippt.
    Er muss handeln. Ihm läuft die Zeit davon.
    »Alles okay«, sagt er zu dem Jungen.
    Der sieht sich wild nach allen Seiten um, weicht weiter zurück. Wenige Schritte noch, und er wird vom Dach stürzen. Hagen streckt ihm die Rechte entgegen, senkt beruhigend die Stimme.
    »Ich helfe dir.«
    Meint es ernst. Egal, wie viele Menschen das verstörte Kind auf dem Gewissen hat.

    »Sag mir nur, wo Gaddafi ist. Du weißt doch, wo er ist.«
    Der Junge keucht, bleibt stehen. Hagen geht in die Hocke, macht sich kleiner. Schaut zu seinem Gegenüber auf.
    »Ich bin deine letzte Chance, verstehst du?«
    Unglaube, Verzweiflung, Hoffnung.
    Trotz.
    Was Augen alles ausdrücken können.
    »Ich schwöre, ich bringe dich hier raus«, verspricht Hagen. »Ich helfe dir, wenn du mir nur verrätst, wo –«
    Sein Blick schweift ab.
    Gut einen Kilometer weiter, in Distrikt 2, geschieht etwas. Ein Wagen schießt zwischen den Häusern hervor, biegt auf die Hauptstraße nach Misrata ein, gefolgt von einem weiteren, noch einem. Bis hierhin kann man das Quietschen der Reifen hören.
    Zehn Wagen. Zwanzig Wagen.
    Dreißig.
    Eine ganze Kolonne, die versucht, sich abzusetzen.
    Kein Zweifel, wer da gerade flieht.
    Hagen springt auf. Unten stürmt sein Trupp aus dem Haus. Zwei Mann tragen den Verwundeten, und sofort verstärken die Scharfschützen wieder ihren Beschuss. Der Kommandeur brüllt etwas in sein Funkgerät, kein Wort davon kann Hagen hier oben verstehen, aber das muss er auch nicht. Mit der Heftigkeit eines Magenschlages trifft ihn die Erkenntnis, dass der Befehlshabende soeben den Westflügel zur Zerstörung freigegeben hat.
    Und sie stehen hier an der Dachkante.
    »Lauf!«, schreit er dem Jungen zu.
    Im nächsten Moment hallt der zerklüftete Canyon wider vom Dröhnen der Artillerie. Der Junge macht einen weiteren Schritt zurück. Unten schwenkt der UB -32 herum, durch die gekippte Position des Trägerfahrzeugs nun in der Lage, das obere Stockwerk zu treffen, und richtet seine stumpfe Nase auf sie.
    Feuert.
    Hagen sieht den Pick-up explodieren im Moment, als der Rückstoß des Projektils in den Boden fährt, beginnt zu rennen. Noch während sich der brennende Wagen in der Luft überschlägt, kracht die Granate ins Dach und reißt die Nordwestspitze des Gebäudes mitsamt dem Jungen einfach weg. Eine gewaltige Druckwelle hebt Hagen an wie eine Feder. Er rudert im Fliegen mit

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