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Breaking News

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Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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schlecht gelebt unter der alten Kröte, oder? Die würden alles für ihn tun. Da fällt mir übrigens ein, kennst du den? Luftangriff der NATO , es knallt und kracht, und Gaddafis Doppelgänger werden alle in sein Zelt bestellt, wo aber nur Saif al-Islam ist, Gaddafis Sohn, du weißt schon, und der stolziert so umher und sagt dann zu den Doppelgängern, also, meine Herren, es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht, fangen wie mit der guten an, mein Vater lebt.« Ibrahim erbebt, das Doppelkinn schwabbelt vergnügt. »Und jetzt die schlechte: Er hat bei seinem heldenhaften Kampf für Libyen den linken Arm, das rechte Auge und das rechte Bein verloren!«
    Der ganze Wagen brüllt vor Lachen.
    Netter Kerl, dieser Ibrahim. Bis vor Kurzem hat er nicht mal darüber nachgedacht, mit einem Luftgewehr auf einen Spatz zu schießen.
    Jetzt weiß er nicht mehr, wie viele Menschen er getötet hat.
     
    Auf dem Ring um Sirte staut sich der Verkehr. Fahrzeuge anderer Einheiten drängen herein. Der Tross hält am Straßenrand, letzte Lagebesprechung. Hagen vertritt sich die Beine. Als sie weiterfahren, registriert er, dass sich der Konvoi teilt.
    »Wir nehmen sie in die Zange«, erklärt ihm der Kommandeur vom Vordersitz. »Die Hälfte unserer Leute fährt unterhalb von Distrikt 3 durch Shabiya bis Al-Dollar und dann hoch Richtung Nordstadt. Wir anderen nähern uns aus der Gegenrichtung, entlang Altstadt und Grüner Platz.«
    »Das Hotel ist übrigens sauber«, sagt der Fahrer.
    Das Hotel am Grünen Platz. Wochenlang Hochburg der Widerständler. Der Kommandeur schnaubt.
    »Das Hotel ist schon seit letzter Woche sauber. Erzähl mir was, was ich noch nicht weiß.«
    »Deine Frau treibt’s mit –«
    Irgendein Name, eruptives Gelächter. Kein Scherz ist zu platt, umnicht als Lockerungsübung zu dienen. Über irgendwas müssen sie schließlich lachen. Die Erschöpfung steht ihnen ins Gesicht geschrieben, Monate der Mangelernährung, zuletzt nur noch Nudeln mit Tomatensauce, wovon es in diesem geschundenen Land aus unerfindlichen Gründen nie versiegende Vorräte zu geben scheint. Immer wieder schlafen in fremden Häusern, und oft genug bleibt nur der Truck. Auf die Kühlerhaube will natürlich jeder, weil der Motor nachglüht und einen warm hält. Aber Kühlerhauben sind knapp, also pennen sie auf der Ladefläche, im Schatten der Kanone. Immer noch besser als auf dem Boden. Auf den Boden will keiner. Die Wüste lebt. Sie krabbelt, beißt und sticht. Verzehrt dich in kleinen Happen.
    Das Gelächter erstirbt.
    » Allahu akbar «, kommt es von Daoud.
    Er murmelt es vor sich hin. Keiner antwortet. Jubeln werden sie erst, wenn alles vorbei ist.
    Macht euch nichts vor, denkt Hagen. Ihr jubelt auf jeden Fall zu früh. Der Krieg hat einen langen Arm. Er holt sich seine Opfer, wenn ihr schon lange glaubt, er sei vorbei.
     
    Acht Uhr, Einfahrt in die Nordstadt.
    Gespenstische Stille.
    Sie nähern sich dem Viertel, aus dem sie gestern beschossen wurden. Restlos zerstört. Die Ruinen so frisch, dass noch das Geisterbild intakter Architektur in der Luft zu stehen scheint. Milliarden schwebender Zementpartikel brechen das Sonnenlicht, ein changierendes Gleißen, das in den Augen schmerzt. Mittlerweile stehen die Boulevards vollständig unter Wasser. Stinkend und sprudelnd ergießt es sich aus der zertrümmerten Kanalisation, Autowracks darin wie Treibgut, zur Unkenntlichkeit verformt. Von den Ladeflächen stechen skelettöse Finger ab, die Läufe schwerer Maschinengewehre, die anklagend in den Himmel weisen.
    Überall liegen Teile explodierter Artillerie herum.
    Quadratmeterweise arbeiten sie sich ins Herz des Widerstands vor. Nichts deutet drauf hin, dass es noch schlägt. Die brutalisierte Fieberhaftigkeit des Vortags ist angespannter Wachsamkeit gewichen, als näherten sie sich einem angeschossenen Raubtier. Der Tross hat runtergeschaltet, fährt Schritttempo. Viele sind ausgestiegen, flankieren die träge kriechende Prozession, Gewehre im Anschlag, schneller Vorstoß, Schutz suchen hinter Trümmern, Umgebung sichern, weiter.
    Plötzlich Rufe, Aufregung.

    »Nicht schießen!«
    Drei von Staub bemehlte Männer stolpern mit erhobenen Händen aus einer Einfahrt. Einer hält einen Raketenwerfer hoch wie Tauschgut, ein anderer wirft seine Kalaschnikow demonstrativ von sich. Ein Mörserteam. In ihren Mienen spiegelt sich die hilflose Erschöpfung der Besiegten, die noch nicht fassen können, dass es vorbei sein soll, und sich zugleich fragen, ob

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