Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)
lehnt sich in ihren Stuhl zurück. »Tu nicht so, als würdest du mich nicht erkennen, Dorian, denn ich erkenne dich sehr wohl. Du warst völlig besessen von Petra, als wär sie eine Göttin oder so. Dabei hattesie nichts im Kopf als ihre geliebten Bäume. So was von armselig.«
Zorn kocht in mir hoch. Die Baumzucht war nicht irgendein Hobby, sondern unser Schlüssel zur Freiheit – zum Überleben. Mein Protest liegt mir schon auf der Zunge, als ich Silas’ Augen auf mir spüre. Sein Kopfschütteln ist so diskret, dass man ganz genau hinsehen muss, um es zu bemerken. Also halte ich die Klappe.
Dorian legt das Messer ab und wischt sich die Hände an der Hose ab. »Wir dachten, du wärst tot, Vanya.«
»Seh ich tot aus?«, gurrt sie.
»Nein.«
»Also, dann erzählt mal: Galt am Schluss immer noch Petras Beziehungsverbot?« Silas nickt. »Gott, wie grottenlangweilig.« Sie erhebt ihr Glas und lacht. »Was soll so aus der Menschheit werden?« Ihr Grinsen mag breit sein, aber in ihrer Stimme liegt auch etwas Ernstes.
»Warum hast du den Hain verlassen?«, fragt Song.
»Schwierig. Wie bei allen Familien«, sagt sie. »Ich würde ja gerne ins Detail gehen, aber wer garantiert mir, dass ihr keine Spione seid? Vielleicht steht der Hain ja noch und meine Schwester hat euch zu mir geschickt, um meine Leute zu stehlen. Oder damit ihr mich umbringt.«
Schön wär’s , denke ich.
Silas senkt den Kopf. »Ich versichere dir, den Hain gibt es nicht mehr«, sagt er bedächtig.
»Nun, das lass ich lieber mal selbst nachprüfen. Maks, wenn du so nett wärst.«
Maks gießt sein Glas voll und wedelt es so vor unserer Nase, dass es beinahe überläuft.
»Und was machst du in der Zwischenzeit mit ihnen?«
Vanya reibt sich die Schläfen, als wäre sie auf einmal ganz schrecklich müde. Dann klappt sie ein Auge wieder auf und fährt fort. »Wir fangen erst mal mit den Eisenpräparaten an, mit Immunabwehr und den EPOs.«
»EPOs?«, fragt Song.
»Nichts, was Petra je gestattet hätte. Die erhöhen die Anzahl roter Blutkörperchen und senken euren Sauerstoffbedarf«, erklärt Vanya.
»Doping«, sagt Song.
Vanya erhebt sich und verlässt den Tisch. »Okay, dann bring sie mal in die Ambulanz für die Tests«, sagt sie, uns den Rücken zugekehrt.
»Was sind das für Untersuchungen?«, fragt Silas.
»Eingangsuntersuchungen«, sagt Maks. Sein Grinsen wirkt flach. »Alle bereit?«, fragt er im Aufstehen.
Sind wir nicht, aber das war auch keine echte Frage.
BEA
Drei Kieselsteine, ein Flaschendeckel, eine Metallplakette und eine Haarspange. Mit einem hohlen Klimpern lasse ich sie in den Brunnen zurückfallen. Sechs Objekte, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir schon länger hier sind als sechs Tage. Hab ich einen Tag nicht mitgezählt? Hab ich ein paar verschlafen?
Jazz will einfach nur vor sich hin dösen, sonst nichts, und essen mag sie auch nicht mehr.
Ich kehre zu ihr zurück, gehe in die Knie und berühre ihre Stirn. Sie glüht stärker als je zuvor und zum Fiebersenken habe ich nichts als nasse Kleider, die ich ihr auf die Haut lege. Ihr Bein wage ich nicht anzugucken. Das letzte Mal war es gerade am Anschwellen. Wie lange wird das so gehen? Eine Woche? Länger? Oder ist es schon zu spät?
»Ist Quinn wieder da?«, fragt sie mit schwacher Stimme
Ich streichle ihr die Wange und bemühe mich um einen lockeren Tonfall. »Quinn ist ja immer spät dran, aber er wird kommen. Konzentrier du dich mal nur aufs Ausruhen.« Sie starrt zu mir hoch und verzieht denMund – sie ist ein Kind, kein Idiot. »Kann ich irgendwas für dich tun?«, frage ich.
»Noch was von der Medizin da.« Sie deutet auf die Alkoholflasche, die ich zum Betäuben benutzt habe.
»Ich hab auch noch so was hier.« Ich breche ein Stück vom Energieriegel ab und versuche, ihn ihr zwischen die Lippen zu schieben. Sie schüttelt den Kopf und ich greife zur Flasche. Angeekelt nimmt sie einen Schluck. Gut schmeckt es ihr nicht, aber es beruhigt sie.
Mein Blick schweift zum Brunnen. Wenn ich ein paar Tage übersprungen habe, werden wir vielleicht bald gerettet.
Bitte, lieber Gott oder liebe Erde oder was auch immer da draußen sein mag, bitte lass uns bald gerettet werden.
Bitte .
QUINN
Nach ein paar Stunden unruhigen Schlafs brechen wir im Morgengrauen nach Sequoia auf. Jo und ich rudern das eine, Abel das andere Boot. Wir kämpfen gegen Strömung und Wind und schon nach einer Stunde brennen meine Arme wie Hölle, von der Hand mit der Schrottautowunde
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